Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)
bestimmt gleich«, weinte Caterina. »Lorenzo braucht die Sterbesakramente! Er darf nicht ohne Sakramente von uns gehen!«
Sanchia bedachte sie mit kalten Blicken. » Ich sage, wann wir sie brauchen!« Sie schlug die Tür hinter ihrer Schwiegermutter und dem Sklaven zu, dann eilte sie zum Fenster und riss es weit auf. Die Luft, die vom Kanal hochstieg, war dumpf und roch fischig, doch alles war besser als das erstickende Miasma, das die Kammer verpestete.
Sie atmete tief durch, als sie an Lorenzos Seite trat. Er war bewusstlos, immerhin. Jemand, der es ihm leichter machen wollte, hatte ihm offenbar ein Schlafpulver gegeben. Sein Gesicht, bleich und entspannt, war zur Seite gewandt und halb unter seinem dunklen Haar verborgen. Sie strich es vorsichtig zur Seite und sah, wie sich die Augäpfel unter den fahlen Lidern hin und her bewegten. Sein Schlaf war nicht so tief, dass sie sich Sorgen darum machen musste, ob er womöglich nicht mehr daraus erwachen würde. Die Handhabung von Mohnsaft und ähnlichen Betäubungsmitteln erforderte einiges an Fingerspitzengefühl, und manche selbst ernannte Heiler gingen auf eine Weise damit um, die den Schlaf nahtlos in den ewigen Frieden übergehen ließ.
Sie streckte die Hand aus, um die Decke wegzuziehen, und sie versuchte sich einzureden, dass es nicht die Angst vor dem Anblick seiner Wunde war, die ihre Hände in nutzlos zitternde Anhängsel und ihren Magen in ein Behältnis voller Eis verwandelte. Ihr Herz fing an zu rasen, als sie die Umrisse seines Körpers unter der dünnen Leinendecke sah, und sie spürte, wie sich ihr Unterleib in schmerzhaften Krämpfen zusammenzog. Zögernd ließ sie die Decke wieder los.
»Hast du Schnaps?«, fragte sie Tsing.
Er löste eine Lederflasche von seinem Gürtel, die er ihr reichte. Es war ein übles Gebräu, ob aus Korn oder Äpfeln gebrannt, war schwer zu sagen, doch es war stark genug, um wie beißendes Feuer durch ihre Kehle zu rinnen und sie halbwegs zu betäuben, noch während sie davon trank. Sie würde nicht zulassen, dass sie das Kind verlor, nur weil sie die Aufregung nicht vertrug.
Hustend drehte sie den Korken zurück in den Hals der Flasche und gab sie Tsing zurück. »Vielleicht brauche ich später noch mehr davon«, sagte sie, bevor sie sich erneut daranmachte, ihren Mann zu untersuchen.
Das Bein war noch da, das hatte sie vorhin beim Betreten des Raums gleich als Erstes registriert; insofern waren die Informationen der Köchin nicht zutreffend gewesen. Doch das war auch schon das einzig Beruhigende, was man über seinen Zustand sagen konnte. Der Geruch, der ihr in die Nase stieg, als sie vorsichtig die Decke von seinem Körper zog, traf sie wie der harte Tritt eines Maultiers.
Ihr war sofort klar, wie Battario zu seinem Behandlungsvorschlag gekommen war. Und warum alle vorhin Anwesenden im Begriff gewesen waren, Abschied für immer zu nehmen.
Das rechte Bein bestand an der Innenseite mehr oder weniger nur noch aus eitrigem Brei. Etwa eine Handbreit über dem Knie begann die Wunde, vermutlich ein Säbelhieb oder ein Treffer mit einer Axt. Die Türken, so hatte sie gehört, kämpften typischerweise mit Krummsäbel oder Axt, vor allem die berüchtigten Janitscharen, die schon als Knaben von ihren Familien weggeholt und zu tödlichen Kampfmaschinen herangebildet wurden.
Die Verletzung reichte bis auf den Oberschenkelknochen; die zertrümmerten weißen Enden ragten aus dem dunkel aufgeworfenen Fleisch wie die knorrigen, gezackten Zähne eines urzeitlichen Monstrums. Die Stelle um den Hieb musste rasch angefangen haben zu eitern, und wahrscheinlich war nicht nur die Waffe schmutzig oder vielleicht sogar vergiftet gewesen, sondern jemand hatte ihm anschließend eine Wundbehandlung angedeihen lassen, welche die Entzündung erst richtig in Gang gebracht hatte. Die Fläche war so groß wie zwei nebeneinanderliegende Hände, und jemand hatte die Wunde vermutlich ausgebrannt und hinterher mit einer zweifelhaften Substanz bestrichen, vielleicht mit Tierdung, vielleicht auch mit einer Pflanzenpaste, die ein Verderben bringendes Kraut enthalten hatte, möglicherweise auch mit einer Mischung aus beidem. Eine schleimige Masse hatte sich über die Wunde ausgebreitet und bildete, infiltriert mit dem schmierigen Salbenmaterial, ein Gemisch aus triefendem Eiter und wild wucherndem Gewebe.
Sanchia erinnerte sich an jenen kalten Februartag vor zehn Jahren, als er schon einmal beinahe an einer tödlichen Salbe gestorben war.
Sanft schob
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