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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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dennoch verblutet oder vom Fieber dahingerafft worden, so schnell, dass oft nicht einmal Zeit war, den Priester zu holen. Er kannte viele Männer, die auf diese Weise ihre Frauen verloren hatten.
    Würde er damit fertig werden können? Bedächtig hob er die Hand und strich ihr über das Haar. Sie bewegte sich schläfrig und wandte den Kopf zu ihm, wie eine Blume, die das Licht der Sonne sucht. Fasziniert betrachtete er den feinen Wirbel über ihrer Stirn, der ihrem Gesicht einen leichten Anstrich von Eigensinn gab, ein Eindruck, der sich auf verblüffende Weise vertiefte, wenn sie ihr Kinn vorschob. Jetzt im Schlaf war es allerdings entspannt, sodass ihre Miene eher rührend kindlich wirkte. Mit einem unbewussten Seufzen schmiegte sie sich fester an ihn, und er reagierte sofort, indem er die Umarmung verstärkte und dabei versehentlich ihrem Bauch eine etwas zu grobe Behandlung angedeihen ließ – der erzürnte Tritt eines winzigen Fußes traf ihn am rechten Unterarm.
    »Oje, entschuldige«, murmelte er erschrocken.
    Seine Frau schlief ohne das geringste Anzeichen von Irritation weiter, sie hatte nichts bemerkt. Doch nicht sie war diejenige, bei der er sich entschuldigt hatte. Sanft legte er die flache Hand auf die Stelle an Sanchias Bauch, wo er den Kopf seines Sohnes vermutete. Sanchia hatte ihm erklärt, dass er ganz tief unten saß, geborgen von ihrem Venushügel. Er strich behutsam darüber und gab leise geflüsterte, sinnlose Worte von sich, um den Winzling zu beruhigen. Dabei merkte er, wie er plötzlich freier atmen konnte. Zuversicht durchströmte ihn, und die Hoffnungslosigkeit, die ihn vorhin noch gefangen gehalten hatte, wich zunehmendem Optimismus. Warum sollte nicht alles gut gehen? Bei den meisten anderen klappte es schließlich auch!
    Wir schaffen das, teilte er seinem Sohn wortlos mit. Zu dritt werden wir mit allem fertig!
    Ein leises Klopfen riss ihn aus seinen Gedanken. Vorsichtig zog er seinen Arm unter Sanchias Haarfluten hervor und stand auf, um rasch sein Hemd anzuziehen, bevor er zur Tür ging und sie öffnete.
    Tomaso, der Hausdiener, wich höflich einen Schritt zurück. »Es ist Besuch gekommen, Domine. Ich fürchte, er hat schlechte Nachrichten. Eine Frau liegt im Sterben.«
    Mutter, durchfuhr es Lorenzo. Eilig streifte er sich Wams und Hosen über. Er rechnete jeden Tag damit, dass es mit ihr zu Ende ging, nicht so sehr wegen ihrer geistigen Ausfälle, sondern wegen ihres zunehmenden körperlichen Verfalls. Jedes Mal, wenn er sie besuchte, schien sie kleiner, dünner und blasser geworden zu sein, und der Husten, der ihre schmale Gestalt erschütterte, hatte von Mal zu Mal zugenommen. Sanchia vermutete, dass Caterina an der Schwindsucht erkrankt war, aber Rufio hatte lapidar erklärt, dass seine Mutter einfach nicht mehr leben wollte.
    Doch es ging nicht um seine Mutter, wie sich kurz darauf herausstellte, sondern um Suor Annunziata. Sagredo wartete im Portego auf ihn, die Augen gerötet und das Gesicht zu Stein erstarrt.
    »Sie stirbt«, sagte er einfach.
    Lorenzo nickte unbehaglich. »Ich denke nicht, dass es Sanchias Zustand zuträglich ist, wenn sie …«
    »Bitte«, sagte Sagredo.
    Lorenzo holte Luft. Er zögerte immer noch.
    »Ich weiß, dass ihr täglich mit dem Kind rechnet«, sagte Sagredo. »Wenn sie jetzt Wehen bekommt, wird es wohl kaum jemandem schaden.« Drängend fügte er hinzu: »Annunziata will Abschied nehmen. Sie braucht … Sie braucht Sanchia jetzt.«
    »Sanchia muss es selbst entscheiden.« Lorenzo meinte, das sagen zu müssen, obwohl er genau wusste, wie Sanchia darüber dachte.
    »Dann frag sie. Aber lass dir nicht zu lange damit Zeit.«    
    Lorenzo legte ihm leicht die Hand auf die Schulter. »Es tut mir leid.« Hastig wandte er sich ab, um zurück zu seiner Frau zu gehen.
    Wie erwartet, stand es für Sanchia keinen Moment zur Debatte, sich Sagredos Wunsch zu widersetzen. Eilig schlüpfte sie in ihr Unterkleid.
    »Ich habe jeden Tag damit gerechnet.« Ihre Stimme war leise, ihr Gesicht blass und ernst.
    »Wenn es dich zu sehr aufregt, solltest du …«
    »Nein«, fiel sie ihm ins Wort. »Ich will zu ihr.«
    »Ich gehe mit.«
    Er sah die Erleichterung in ihren Augen und war froh, bei ihr sein zu können, und nicht zum ersten Mal in der letzten Zeit fragte er sich, ob er es überhaupt je wieder über sich bringen konnte, sie zu verlassen, auch wenn es nur vorübergehend war. Es lag nicht nur daran, dass sie offensichtlich Angst davor hatte.
    Sicher, wenn

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