Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)
Gesicht verzog sich im flackernden Licht der Leuchte zu einem Ausdruck, der mehr von Hass als von Demut bestimmt war.
Annunziata und Sanchia pressten sich in der Dunkelheit gegen das steinerne Gitterwerk vor dem Fenster und hielten den Atem an. Die beiden Männer, die im Portego und den angrenzenden Kammern nach Wertsachen suchten, merkten nach kurzer Zeit, dass ihre Mühe vergeblich war.
»Lass uns verschwinden«, sagte der eine mürrisch.
Der andere nickte, bevor er zur Treppe ging und nach oben brüllte: »Was gefunden?«
»Nichts«, kam es zurück. »Nur eine verdammte Pesthöhle!« Wenige Augenblicke später kam der Mann mit klappernden Zòccoli die Stufen heruntergetrampelt.
Alle drei verschwanden über die Treppe nach unten und mischten sich unter die anderen Plünderer, die grölend über das Gelände streiften. Manche von ihnen hatten Fackeln in den Fäusten, und Annunziata befahl Sanchia, von den Fenstern wegzubleiben.
»Wir hatten Glück, dass sie uns eben nicht gesehen haben. Wenn sie uns erwischen …« Sie machte eine rasche Bewegung über ihre Kehle hinweg.
Sanchia brauchte keine Erklärung, was damit gemeint war.
»Ja, wen haben wir denn da? Eine blonde Braut des Herrn! So rein und fein! Willst du mir nicht zeigen, wie man richtig betet?« Die Worte wurden von lüsternem Gelächter begleitet, während der Mann, der sie ausgesprochen hatte, sich aus den Schatten des Torbogens löste. Er trug keine Holzschuhe, sondern lederne Schnabelschuhe, die auf dem glattpolierten Boden kein Geräusch verursachten. Mit der Rechten hielt er eine Öllampe, die Linke umfasste einen Dolch.
»Komm her«, befahl er. »Zu mir und auf die Knie!«
Als Sanchia zurückwich, grinste er voller Vorfreude. »Ah, ein kleiner Unschuldsengel!«
»Wozu brauchst du ein kleines Kind, wenn du eine richtige Frau haben kannst!« Annunziatas Stimme klang tief und lockend. Sie trat einen Schritt vor und zog ihr Gewand auseinander, bis ihre nackten Brüste freilagen. Wie zwei reife Melonen schaukelten sie im Licht der Lampe auf und ab, als Annunziata mit schwingenden Hüften auf den Mann zutrat. Er war noch jung, in den Zwanzigern, und für einen Moment zuckten seine Blicke unentschlossen zwischen Sanchia und der älteren Nonne hin und her. Doch dann löste Annunziata die Verschnürung ihres Gewandes vollends auf und zog ihr Kleid vorn hoch, bis ihre Scham zu sehen war. Das Haar dort war feuerrot, wie das Haupthaar ihrer Schwester.
»Schau«, flüsterte sie. »Das siehst du nicht alle Tage!«
Dem Mann gingen bei dem Anblick die Augen über, und als Annunziata nähertrat und ihm mit einer gezierten Geste den Dolch aus der Hand nahm, wehrte er sich nicht.
»Den brauchst du doch nicht! Nicht so ein großer, starker Hengst wie du, der eine viel schärfere Waffe in der Hose trägt!«
Er leckte sich über die Lippen und stierte auf die vollen Brüste mit den riesigen Brustwarzen. Als Annunziata sich die Hand lasziv zwischen die Beine schob, keuchte er wollüstig auf und packte sie, um sie an sich zu ziehen.
Annunziata machte eine einzige beiläufige Bewegung von unten nach oben, und der Dolch steckte ihm zwischen den Rippen. Es ging so schnell, dass Sanchia es kaum mitbekommen hatte. Der Mann krümmte sich und brach in die Knie, mit einem Gesichtsausdruck, der zwischen Erstaunen und Wut schwankte. Dann trat reiner Schmerz an die Stelle aller anderen Regungen, und mit einem Stöhnen fiel er vornüber und bewegte sich nicht mehr.
»Versteck dich«, flüsterte Annunziata. »Ich lasse ihn verschwinden! Wenn wir uns nicht beeilen, können jeden Moment wieder andere raufkommen! Sie schleichen sich von allen Seiten ins Haus!« Sie packte den Mann bei den Füßen und schickte sich an, ihn zum nächsten Fenster an der Kanalseite zu schleifen, offenbar in der Absicht, die Leiche ins Wasser zu werfen.
Aus dem Andron waren erneut Männerstimmen zu hören.
»Mach schon«, zischte Annunziata. »Geh nach oben! Aufs Dach! Ich folge dir gleich!«
Sanchia gehorchte wortlos und rannte die Treppe hoch. Auf ihrem Weg zur Dachstiege kam sie an der offenen Kammer der Äbtissin vorbei, und was sie dort im Schein der nahezu abgebrannten Kerzen sah, ließ sie erstarren. Bruder Ambrosio stand über das Bett gebeugt und drückte seine Hand auf Albieras Gesicht, auf Mund und Nase gleichzeitig. Vor Anstrengung traten dabei die Muskeln an seinem dürren Unterarm hervor, ebenso wie seine Augen, in denen ein fanatisches Leuchten stand. Die andere Hand hatte er
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