Die Mächte des Feuers
hüpfte hinterher. »Ich verstehe, dass manche Drachenjäger in Misskredit geraten sind.«
»So kann man es auch ausdrücken. Und zu denen möchte ich nicht gehören.« Ramachander setzte auf den nächsten Wagon über.
Eris sprang und landete ebenfalls sicher. Er sah, dass aus dem scheinbaren Durcheinander der Wagons eine eindrucksvolle Ordnung erwachsen war. Die Männer und Frauen saßen einsatzbereit auf den Lkw-Pritschen, die Ausrüstung lag im Mittelgang zwischen ihnen. Dabei handelte es sich um unzählige Ketten, an denen die Haken angebracht waren, sowie einen mannlangen Pflock. Havock's Hundred waren einsatzbereit.
Eris und Ramachander stiegen vom Dach und eilten zum ersten Lastwagen, auf dem sich auch Leida befand.
»Wollen Sie den Drachen pfählen, Mister Havock?«, staunte Eris.
»Stellen Sie sich einfach vor, Sie seien der Drache: Lassen Sie sich überraschen«, gab er vieldeutig zurück und befahl die Abfahrt, während immer mehr verzweifelte Menschen in Richtung des Zuges liefen, um Edinburgh zu entkommen.
Eris las das Entsetzen auf ihren Gesichtern. Der Schock ließ sie ihre mitunter grausamen Verletzungen nicht einmal spüren. Verbrennungen, verkohlte Kleider, gebrochene Glieder, zerfetzte Haut und offenes Fleisch – doch der Wille zum Überleben peitschte sie an, trieb sie zum Zug, der für sie Rettung aus der Flammenhölle bedeutete.
Eine Wand aus stinkendem Qualm schob sich vor die Flüchtlinge. Er versuchte sich auszumalen, welch ein neuer Schock es sein müsste, wenn sie im Zug erfuhren, dass die Fahrt nicht weiterging. Nicht bevor die Drachenjäger zurückgekehrt waren.
20. Januar 1925, Edinburgh, Provinz Schottland, Königreich Großbritannien
Es war ein schweißtreibender Aufstieg. Der Calton Hill schien sich für die Drachenjäger und deren schwere Last noch steiler in die Höhe zu recken. Die Vorhut hatte ihnen gemeldet, dass sie Spuren des Drachen gefunden, das Scheusal selbst aber nicht gesehen hatten. Nach einer kurzen Diskussion entschied Ramachander, den Aufstieg fortzusetzen. Leida hatte ihn überzeugt, dass der Drache sicherlich noch einmal zurückkehren würde. Sie wollte ihn unbedingt abschießen.
Eris bewunderte, wie es die Männer und Frauen schafften, beinahe keine Geräusche zu verursachen, um den Drachen nicht durch Kettenklirren oder ein lautes Wort aufmerksam zu machen. Das anhaltende Prasseln des in Flammen stehenden Edinburghs erleichterte ihnen ihr Unterfangen; die Rauchschwaden, die sie immer wieder einhüllten, und die Nacht gaben ihnen zusätzliche Deckung.
Bald erreichten sie die Spitze des Calton Hill, und Ramachander nahm erneut sein Fernglas zur Hand. Es war nicht leicht, in der Dunkelheit und dem Qualm einen Wasserfall in den Salisbury Crags auszumachen.
Er bemerkte ein Glitzern, das man für die spiegelnde Oberfläche eines Gewässers halten konnte. Ein kleiner Weiher. »Ich habe es«, bestätigte er. »Und ich sehe nichts von einem Drachen. Wir können vorrücken und Vorbereitungen treffen.«
Leida hob ebenfalls ihr Fernglas. »Kann er sich nicht in einer Höhle hinter dem Wasserfall verbergen?«
Eris fand, dass ihre Stimme ziemlich erotisch klang, wenn sie flüsterte.
»Das ist durchaus im Bereich des Möglichen«, antwortete einer der Männer aus der Vorhut. »Wir haben zwar keine Spuren gefunden, aber es ist dort sehr steinig.«
»Gehen wir näher ran und finden es heraus.« Ramachander gab ein Handzeichen an den nächsten Mann, der gab es weiter und so fort, bis auch der hinterste wusste, dass es weiterging.
Das Gelände war äußerst unwegsam, mehr als einmal hörten sie Geräusche aus der vorrückenden Einheit, die auf ein Ausrutschen mit nachfolgendem Sturz hinwiesen; dennoch blieben Havock's Hundred diszipliniert still.
Ramachander ließ sie anhalten, wies drei Mann mit Gesten an, vorzurücken und erneut zu spähen. Nach einigen Minuten bangen Wartens kehrten sie zurück.
»Drachenspuren, Sir, ohne Zweifel«, übernahm einer den Bericht. »Wir haben Abdrücke und Blutspuren am Boden neben einem Steinblock gefunden, und Higgins«, er zeigte auf seinen Nebenmann, »hat die Überreste einiger Menschenleichen entdeckt, Sir.«
»Abgebissen, Sir«, nickte der Mann. »Und noch warm und frisch.«
»Wo ist der Drache, Männer?«
»Wenn er noch da ist, denke ich, dass er hinter dem Wasserfall liegt«, meinte Higgins. »Sonst gibt es hier keine Möglichkeit, um sich zu verbergen. Ich denke eher, dass er sich wieder was zu fressen suchen
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