Die Mächte des Feuers
dass er über die Nachricht erfreut war. Grigorij und Arsenie folgten ihnen mit einigen Schritten Abstand. »Unterstützung ist auf dem Weg. Das Officium sandte mehrere Drachentöter, die sich um ihn kümmern sollen.«
Sie verließen das Gebäude. Silena stieg vorn in den Wagen und überließ den drei Begleitern den Fond. Der Ford setzte sich in Bewegung und brauste durch die Straßen Londons. Um diese nächtliche Zeit herrschte weniger Betrieb auf den Straßen, vor allem die Gespanne und Droschken fehlten, und so gelangten sie sehr zügig vor die Pforte des Hospitals. Es war ein altehrwürdiges Gebäude, das Tausende von Kranken gesehen hatte. Die Fassade entsprach einer Mischung aus Herrenhaus und Adelssitz; Bauhausstil und Mittelalterliches verbanden sich zu einer Düsternis, die von den Wasserspeiern auf den spitzen Dächern gekrönt wurde. Silena überlief bei dem Anblick ein Frösteln. Läge sie krank in diesem Gebäude, würde sie sicherlich nicht genesen. Im Innern herrschte der Geruch von Putzmitteln, altem Holzboden und Medikamenten. Ab und zu hallten leise Rufe der Pfleger oder Patienten durch die hohen Gänge.
»Es ist unheimlicher als das Jenseits«, hörte Silena Arsenie leise zu Zadornov sagen. Auch wenn sie nicht wusste, wie es im Jenseits aussah, pflichtete sie ihr im Stillen bei.
Sie eilten durch die Halle die Gänge entlang und wurden von einer Nachtschwester in der grauen Uniform der Pflegerinnen empfangen, die sie führte. Bald darauf standen sie in einem Saal mit vierzig Betten, die durch dünne Vorhänge voneinander abgetrennt waren; schemenhaft erkannten sie Menschen dahinter. In den herrschenden Geruch aus Seife, Holz und Medizin mischte sich der widerliche Gestank von schwärenden Wunden und sterbendem Fleisch. Ab und zu hustete jemand tief, danach wurde ausgespuckt.
Am Lager von Nicolas Hodge saß ein Bobby und hielt Wache. Er stand auf und salutierte, als sich die Gruppe näherte. »Keine besonderen Vorkommnisse, Großmeisterin.«
Silena schaute auf ein zerkratztes Gesicht des Patienten. Die entzündeten Wunden machten es unmöglich, das exakte Alter des Mannes zu schätzen; es musste irgendwo zwischen zwanzig und vierzig liegen. In den braunen Haaren hingen verkrustetes Blut und feuchter Eiter, auch sein Kissen wies rote Spritzer und gelbliche Flecken auf. Sie beugte sich über ihn. »Sir?«
»Vergebliche Mühe, Großmeisterin.« Der Bobby nahm eine bequemere Haltung ein. »Er liegt im Scheintod oder so ähnlich. Die Ärzte haben ihn untersucht, aber nichts gefunden. Die Verletzungen wird er mit etwas Glück überstehen, sagten sie bei der letzten Visite, aber über seinen Verstand wollten sie nichts sagen.« Er räusperte sich. »Wäre sein Verstand ein Pferd, würde ich keine Wetten darauf abschließen, Großmeisterin.«
»Danke für Ihre Einschätzung, Constable.« Silena schaute zur Schwester, die zustimmend nickte. »Er ist durch nichts aufzuwecken?«
»Nein, Großmeisterin«, bestätigte sie. »Es gibt gelegentlich solche Fälle.«
Skelton seufzte und nahm sich einen Stuhl, legte das Köfferchen über die Knie. »Zum Verzweifeln«, meinte er resignierend. »Unsere Spur ist ins Leere gelaufen. So nützt er uns ebenso viel wie ein Toter.«
Arsenie trat an Silena heran. »Ein Toter würde uns mehr nützen, Großmeisterin«, stellte sie wispernd richtig. »Denn Seelen kann man befragen.«
»Was?« Silena riss die Augen auf und starrte die Französin an.
»Schickt den Bobby und die Pflegerin weg, und ich besorge uns alle Informationen, die Mister Hodge in sich trägt. Nachdem er an seinen Leiden verstorben ist.«
Silena wich einen Schritt vor ihr zurück. »Was sind Sie für ein Mensch, Madame Sàtra?«, brach es fassungslos aus ihr hervor.
»Wollen Sie eine Spur haben oder warten, bis der schwarze Drache erneut auftaucht?«, fragte sie kalt, nahm die Spitze aus ihrer Handtasche und setzte eine Zigarette darauf. »Er hat bewiesen, dass er sich nicht leicht aufhalten lässt. Wir, Grigorij und ich, haben von einer bedauernswerten Einheit gehört, die von ihm geröstet wurde. Dieses Biest ist schlau, und es hat etwas mit dem Weltenstein zu tun.« Sie steckte sich die Zigarette an.
»Madame!«, rief die Pflegerin empört und kam auf sie zu. »Ich muss Sie bitten, auf der Stelle damit aufzuhören! Nehmen Sie Rücksicht auf die Kranken…«
»Aber sie verpesten die Luft, die ich atme. Ich zahle es ihnen nur heim«, lächelte sie die Frau herablassend an und hüllte sie in eine
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