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Die Mächte des Feuers

Die Mächte des Feuers

Titel: Die Mächte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Zugreise über das Gebirge nach Innsbruck hatte zu ihrem Glück nicht lange gedauert, und das Luftschiff befand sich bereits auf dem Weg nach Norden, um die Cadmos zu jagen und zurückzuerobern.
    Sie hatten die Schönheit der Stadt bei der Einfahrt bewundern dürfen und das Goldene Dachl am Marktplatz sofort entdeckt. Es funkelte und glänzte in der Wintersonne. Der Kaiser hatte anscheinend angeordnet, dass es selbst mitten in der tiefsten Winterzeit stets vom Schnee befreit sein musste.
    Nach der Einfahrt in den Bahnhof waren ihnen schon die ersten serbischen Demonstranten begegnet, die sich sogar angeschickt hatten, den Zug zu kapern, weil sie gedacht hatten, der Kaiser wolle sich damit absetzen. Die Mehrheit hatte sie überzeugen können und den kleinen hartnäckigen Rest mithilfe der Soldaten des Officiums und der kaiserlichen Polizei vertrieben. Jetzt wusste Silena, wohin sie stattdessen gegangen waren.
    »Ich gebe zu, dass ich mich nicht um Politik schere.« Arsenie klang gelangweilt. »Warum gibt man den Serben nicht einfach, was sie haben wollen?«
    »Weil es für den Kaiser unweigerlich bedeuten würde, dass er auch anderen Volksgruppen mehr Zugeständnisse machen muss, liebe Arsenie«, erklärte Grigorij und setzte sich die grün getönte Brille auf die Nase. »Und das wäre das Ende des Vielvölkerstaates und damit das Ende des letzten Restes von Österreichs Status. Vom einstigen Glanz Austrias ist ohnehin nicht mehr viel geblieben, seit die Preußen den deutschen Kaiser stellen.«
    Die Französin schüttelte den Kopf. »Und warum erschießt man sie nicht einfach, wenn sie so viel Unruhe verursachen?«
    »Dafür sind es ein paar zu viele, Arsenie.« Er betrachtete sie, und zum ersten Mal las Silena Unverständnis in den Augen des Russen. »Es wundert mich, dass Sie so hart über ein Volk entscheiden, das doch nichts anderes will als etwas mehr Freiheit. Immerhin hat Frankreich in der Vergangenheit bewiesen, dass das Volk Macht besitzt. Und gerade Sie…«
    »Frankreich hat derzeit einen König, lieber Grigorij«, machte sie ihn sachlich und überflüssigerweise aufmerksam. »Charles der Unerreichte würde sich so etwas vor einer seiner Residenzen niemals gefallen lassen.«
    »Bis zur nächsten Revolution zumindest.« Grigorij presste die Lippen zusammen. »Ich weiß, was es bedeutet, unterdrückt und in seinen Rechten beschnitten zu werden. Der Zar ist nicht für seine weiche Haltung bekannt. Sibirien ist Europas größtes Gefängnis, Arsenie.«
    Sie horchte auf. »Habe ich da eine empfindliche Stelle getroffen, mon eher?«
    Er öffnete den Mund, wurde aber unterbrochen.
    »Das ist nicht die rechte Zeit für eine Politikstunde, Fürst.« Silena spähte über die Köpfe und Schilder hinweg und suchte, ob sich eine Lücke für sie auftat. »Erst schlagen wir uns von der Herrengasse in den gotischen Keller der Hofburg. Ich hoffe, es gibt diesen Zugang noch. Der Plan, den uns das Officium-Archiv zur Verfügung gestellt hat, ist alt, mindestens aus der Zeit Maria Theresias.«
    »Gab es da die Herrengasse überhaupt schon, Großmeisterin?« Onslow war sehr beunruhigt. Leise klangen die Reden der Agitatoren zu ihnen herüber, immer wieder wurden sie vom Jubel und der Zustimmung der Masse unterbrochen. Applaus brandete auf und rollte durch die Straßen am Marktplatz.
    »Ich verstehe Ihre Unruhe. Es riecht wie vor einigen Jahren in Sankt Petersburg: nach Revolution.« Grigorij rieb sich über den Stoppelbart. »Bei uns wurde sie in Blut ertränkt.«
    Arsenie hatte eine Bewegung am anderen Ende des Platzes ausgemacht, hob den Kopf und sah die ersten Gardisten in der Uniform des Kaisers aufmarschieren. Sie trugen Gewehre bei sich und machten einen äußerst entschlossenen Eindruck. »Messieurs, wir sollten uns beeilen, die Herrengasse und den Keller zu erreichen, bevor der Sturm beginnt.«
    »By Jove«, rief Onslow aus und verlor das bisschen Farbe, das er sich bewahrt hatte, als er die Truppen sah.
    Leises Hufeklappern erklang, hinter der Infanterie zog eine Abteilung Kavalleristen in den prächtigen Uniformen der Husaren auf, die lange Speere in der Rechten hielten und die Spitzen senkrecht nach oben richteten. Der Aufmarsch war nicht unbemerkt geblieben, die ersten Demonstranten drohten den Männern, die sich allerdings von den geballten Fäusten nicht einschüchtern ließen. Ein solcher Einsatz besaß im Kaiserreich Normalität. Erste Mutige erklommen unter den Rufen und Gesängen des Mobs die Balkone des

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