Die Mädchen (German Edition)
die
Arbeitsplatte und sah aus dem Fenster.
Es war
eine sternenklare Nacht
,
eine
von der Sorte, die
morgen für befrorene
Scheiben und glatte Straßen
sorgen wür
de
.
Normalerweise hatte dieser Anblick immer eine
beruhigende Wirkung auf sie, aber nicht an diesem Abend.
Es war ein furchtbarer Tag
gewesen
, der hinter ihnen allen lag, und die
Hoffnung, dass nach einem schlimmen
Tag ein besserer Morgen folgen würde, gab es nicht. S
ina war tot und das würde sich nicht ändern. Das
Leben würde für sie alle weitergehen, aber für das Mädchen nicht, und es würde
niemals
wieder
so werden, wie es einmal war. Es
würde niemals wieder gut werden.
Sie hatte Sina nie besonders ins Herz geschlossen
gehabt, ihr
eigener
Verlust hielt sich demnach in Grenzen,
aber sie liebte ihre Freundin und konnte nur erahnen, wie schlimm es für sie
sein musste, ihr Kind
für
immer
verloren zu haben.
Es tat ihr weh, Almut so verzweifelt, so machtlos
zu sehen. Es war klar, dass sie sich jetzt die schlimmsten Vorwürfe machte,
dass sie sich
nicht
ausreichend um ihre Tochter gekümmert hatte, und
dieses Schuldbewusstsein würde sicher niemals ganz weggehen.
Zoe
hingegen
war nicht so sicher,
ob sich etwas geändert hätte, wenn Almut mehr Zeit
mit
ihrer Tochter
verbracht hätte. S
ie kannte Sina
,
genau wie ihre Schwester
,
seit ihrer Geburt und eben weil sie keine
besondere Beziehung zu ihr aufgebaut hatte, konnte sie
durch ihre Fassade blicken. Sina
war nie
das
liebe Mädchen gewesen, für das sie
alle gehalten hatten, weil sie immer so schön ruhig war
und nach außen hin alles tat, was
von ihr verlangt wurde
.
Sie hatte ihre Eltern manipuliert, wo sie konnte,
sie gegeneinander ausgespielt,
um ihre Ziele zu erreichen und von
beiden
Seiten das meiste
rausholen zu können.
O
hne
genauer hinzusehen
,
hatten
alle
automatisch
angenommen
, dass sie am
meisten unter der Trennung ihrer Eltern zu leiden hatte,
eben weil sie noch so jung war
,
wobei sie
i
n Wahrheit
am meisten davon profitiert
hatte
. Sicher, wahrscheinlich wäre es
Sina lieber gewesen, ihre Eltern hätten sich nicht getrennt, aber
sie
hatte
sich schnell mit der neuen Situation arrangiert
und sie für sich genutzt, durchtrieben
,
wie sie war
.
Auch wenn sie es natürlich nicht verdient hatte,
ermordet zu werden, niemand hatte das, war Zoe überzeugt, dass Sina
ihr Schicksal
auf
irgendeine Weise
selbst provoziert hatte.
Natürlich hätte sie Almut niemals etwas von ihren
Überlegungen gesagt. Eine Mutter glaubt stets an das Gute in ihrem Kind und
würde sich niemals
,
egal von wem
,
vom Gegenteil überzeugen lassen. Was sollte es
also bringen,
ihr die
Augen öffnen zu wollen,
außer
dass sie die Freundschaft zu ihr aufs Spiel setzte? Aber das
s sie sich ihr gegenüber
zurückhielt,
hieß ja
nicht
,
dass
sie
der Polizei gegenüber nicht die eine oder andere
Bemerkung fallen lassen konnte.
Sie musste unwillkürlich grinsen, als sie daran
dachte, wie sie den schwulen Beamten
mit ihrer Direktheit
überfahren
hatte.
Sie hatte ihn kurzzeitig richtig aus dem Konzept
gebracht
, sein
Gesichtsausdruck war unbezahlbar gewesen
.
Das Thema war ihm sichtlich unangenehm gewesen u
nd er hatte um keinen Preis darüber
reden wollen.
Ob sein
Boss wusste, was mit ihm los war?
Wahrscheinlich nicht, die meisten Leute waren ja
so blind im Umgang mit anderen, dass sie
gar nichts mitbekamen.
Der Wasserkocher war fertig und sie goss das Wasser
über die Beutel in der Kanne und
verschloss sie mit dem Deckel. Sie nahm die Kanne
mit ins Wohnzimmer und setzte sich wieder auf ihre
n
Platz auf dem Sofa, den sie schon den ganzen
T
ag über
in
Beschlag g
enommen hatte.
Sie streifte ihre Schuhe ab und zog die Beine an.
Es war ganz ruhig im Haus.
Almut, die nach dem erneuten Besuch
der Kripoleute wieder ins Bett gegangen war, schlief sicher schon wieder.
Bei Judith war sie nicht so
sicher. Wahrscheinlich telefonierte sie mal wieder diesem Aso hinterher.
Sollte sie noch mal nach ihr
sehen?
Nein, lieber nicht. Sie hatte sie am Morgen schon
so merkwürdig angesehen und später war sie ihr aus dem Weg gegangen.
Sie wollte lieber n
icht
riskieren
, dass sie noch etwas mitbekam von dem, was in ihr
vorging. Judith. Dieses wunderschöne Mädchen, das so eine Wärme ausstrahlte,
dass man sich unweigerlich zu ihr hingezogen fühlen musste.
Judith mit ihrer schlanken, aber doch schon
fraulichen Figur, ihrem makellosen Gesicht und ihrem tollen Haar.
Nicht auszudenken, wenn Judith an
Sinas Stelle ermordet worden
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