Die Mädchen (German Edition)
Vater das Sprechen fiel.
„Wartet draußen.“
Das schien ihn zufrieden zu
stellen. „Muss…mit dir…sprechen.“
„Ruh dich aus.“
„Muss…mit…dir…sprechen. Deine
Mutter…hat ...Ahnung.“
Timo horchte auf. „Mama hat keine
Ahnung? Wovon?“
Es dauerte lange, bis sein Vater
herausgebracht hatte, was er ihm sagen wollte. Gegen Ende wurde er immer
undeutlicher, weil irgendwann scheinbar die Medikamente durchschlugen und ihn
betäubten, und Timo musste sich gehörig anstrengen, um ihn zu verstehen, aber
er kriegte es hin. Als sein Vater das Bewusstsein verlor, ließ er sich
zurücksinken und musterte ihn verblüfft. Er kannte jetzt den Grund, warum sein
Vater ihn hatte sprechen wollen und er wusste auch, warum seine Mutter nicht
dabei sein sollte. Das einzige, das er nicht wusste, war, was er jetzt damit anfangen
sollte.
Doreen Siewers ärgerte sich über
sich selbst. Langsam verwandelte sie sich wieder in ihr wirkliches Ich, auch
wenn sie mit Sicherheit noch nicht nüchtern war. Mein Gott, wie hatte sie sich
nur so dermaßen gehen lassen können? Sie war doch sonst nicht so. Daran konnte
nur der Alkohol schuld sein. Es war eine lahme Ausrede, klar, aber eine andere
Ursache konnte es ja wohl nicht geben. Wieso hatte sie nur so viel getrunken?
Na, ganz so viel war es nicht gewesen, aber sie vertrug ja auch nichts. Sie
hatte Glen extra noch gesagt, dass sie ein zweiter Caipi umhauen würde, aber er
musste ja unbedingt noch einen besorgen. Nach den zwei Gläsern Wein zuvor hätte
sie darauf gut verzichten können.
Genau, Doreen. Jetzt schieb Glen
auch noch die Schuld in die Schuhe. Sehr erwachsen. Sie hätte den Caipi ja
nicht trinken müssen, Glen hatte ihn ihr schließlich nicht mit Gewalt
eingeflößt. Aber wer konnte da schon widerstehen? Sie seufzte. Jedenfalls hatte
sie das jetzt davon. Ihr Auftritt war ja wohl nur peinlich und dann noch vor dieser
Tussi. Obwohl, wie eine Tussi hatte sie streng genommen nicht ausgesehen,
jedenfalls nicht, wenn sie sich selbst nicht für eine solche hielt.
Es war beinahe erschreckend, wie
ähnlich die Frau ihr sah. Timo musste echt einen an der Waffel haben, da gab es
keinen Zweifel. Mann oh Mann, sich eine Freundin auszusuchen, die ihrer Vorgängerin
aufs Haar glich. Sein Psychiater sollte die Couch schon mal anwärmen.
Sie ging ins Bad, drehte den
Wasserhahn im Waschbecken auf und hielt ihren Kopf darunter. Brr, schweinekalt,
aber es tat gut. Je eher sie nüchtern war, umso besser würde sie morgen früh
hochkommen. Im Moment war es im Büro zwar ziemlich langweilig, viel Papierkram,
den sie erledigen musste, aber man konnte ja nie wissen, ob nicht morgen
plötzlich ein Mord passierte und dann musste sie fit sein. Wer saufen kann,
kann auch arbeiten. Den Spruch hatte sie als Teenager immer von ihrer Mutter
gehört, und auch wenn er für ihren Vater nicht mehr zutreffend zu sein schien,
war doch etwas Wahres dran.
Sie drehte das Wasser ab und griff
nach einem Handtuch auf dem Ständer neben dem Becken. Sie rubbelte ihre Haare
ordentlich durch und ging dann mit dem Tuch um die Schultern in die Küche, um
sich eine Aspirin in Mineralwasser aufzulösen. Einen Kater wollte sie lieber
gar nicht erst riskieren. Sie goss sich Wasser in ein Glas, das sie aus ihrem
Küchenschrank genommen hatte, und warf eine Brausetablette hinein. Dann nahm
sie das Glas, ging ins Wohnzimmer und schmiss sich auf das Sofa.
Das war sie also. Timos Neue. Sie
hatte sie schon am Abend zuvor gesehen, aber leider nur ziemlich schemenhaft
durch das Schlüsselloch, auch wenn sie vor niemandem, nicht einmal vor ihrem
besten Freund Glen, zugegeben hätte, dass sie sich dazu herabgelassen hatte,
auf Knien durch dieses verdammte Loch zu starren, zumal man da ja ohnehin nicht
alles so genau sehen konnte. Somit war die direkte Konfrontation mit ihr doch
ein Schock gewesen. Es war beinahe so, als hätte sie in einen Spiegel geschaut.
Erschreckend.
Sie nippte nachdenklich an ihrem
Glas. Hm, lange hatte er ja nicht gewartet, bis er sich eine andere gesucht
hatte. Sie hasste es, sich einzugestehen, dass es sie störte, aber es war so.
Dabei hatte er sie ja nicht gerade sitzen gelassen. Vielmehr hatte sie sich
ihre Situation selber eingebrockt. Wenn sie an Timo dachte, war er immer in
erster Linie Timo Hansen, ihr Nachbar aus dem zweiten Stock. Eigenartig, war
das doch nur oberflächlich gesehen die passende Bezeichnung für ihn. Wenn man
mit jemandem geschlafen hatte, musste es für denjenigen
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