Die Mädchen (German Edition)
was
hier los ist?“ Judith ließ lautstark die Tür ins Schloss fallen. Ihre Tante
fuhr herum. „Da fragst du am besten deine durchtriebene, kleine Schwester. Gott,
hab ich das alles satt hier.“
Und mit diesen Worten war Birthe an
ihr vorbei aus dem Haus gerauscht. Judith hatte ihr kurz nachgesehen und sich
dann ihrer Schwester zugewandt.
„Also? Was war los?“
„Die Fotze spinnt doch.“
„Sina!“
„Ist doch wahr. Was hat die in
meinem Zimmer zu suchen?“
Gar nichts. Aber darum ging es wohl
auch nicht. „Was hat sie gefunden?“
„Fängst du jetzt auch noch an?
Lasst mich doch alle in Ruhe.“ Sina hatte sich umgedreht und war ins Wohnzimmer
und dann die Treppe hinauf gegangen. Wenn sie allerdings geglaubt hatte, dass
Judith sich damit zufrieden gab, hatte sie sich geschnitten. Sie folgte ihr und
riss die Tür zu ihrem Zimmer auf, in dem Sina es sich auf dem Bett bequem
gemacht hatte.
„Raus“, rief sie, ohne von dem
Magazin aufzublicken, das sie in den Händen hielt. War es die Bravo? Sah
irgendwie nicht danach aus.
Judith tat, als ob sie nichts
gehört hatte und baute sich vor dem Bett auf. „Wo warst du heute Nachmittag?“
Sina schmiss die Zeitschrift auf
den Boden und Judith konnte sehen, dass es sich um ein Modemagazin handelte,
dessen Namen ihr allerdings unbekannt war.
„Seid ihr jetzt alle bescheuert?
Was geht dich an, wo ich war?“
Judith hätte sie am liebsten an den
Haaren vom Bett hoch gerissen und hatte Mühe, sich zurückzuhalten. „Ich hab
euch gesehen.“
Das ließ Sina erstaunt hochblicken.
„Was?“
„Dich und Bent. Er hat dich mit dem
Motorrad hergebracht.“
Sina musterte sie einen Moment und
dann huschte ein Grinsen über ihr Gesicht. „Stimmt.“
„Mehr hast du nicht dazu zu sagen?“
„Nein. Wieso?“
Judith ballte die Hände zu Fäusten
und drückte sie an ihre Oberschenkel. „Was hast du mit meinem Freund zu
schaffen?“
Sie zuckte mit den Achseln. „Er hat
mich gesehen und gefragt, ob er mich mitnehmen soll. Das war alles.“
Sie glaubte ihr kein Wort. „Du
lügst.“
„Das tue ich nicht.“
„Und warum hat er dich dann nicht
ganz bis nach Hause gebracht?“
Sina sprang vom Bett auf und
stellte sich vor sie, die Hände in die Hüften gestemmt. „Was willst du hören?“
„Die Wahrheit.“
Sina schnaubte. „Die Wahrheit? Also
schön. Dein Freund ist scharf auf mich. Spitz wie Nachbars Lumpi. Wir treiben
es jeden Tag, wenn du es nicht mitbekommst.“
Judith holte aus und versetzte
ihrer Schwester eine ordentliche Ohrfeige, dass ihr Kopf nach hinten flog. „Was
fällt dir ein?“
„Raus! Raus aus meinem Zimmer.“
Sina schubste sie von sich, dass sie beinahe gestolpert wäre. „Ich will dich
nie mehr wiedersehen.“
Judith wich zurück und verließ mit
klopfendem Herz das Zimmer, aber ihre Schwester war noch nicht fertig. „Ich
brauche nur mit dem Finger zu schnippen und er ist zur Stelle. Du hast gegen
mich überhaupt keine Chance.“
Der Streit war es, der ihr in
diesem Augenblick durch den Kopf ging und den sie wohl niemals vergessen würde.
„Nein“, log sie ihrer Mutter ins
Gesicht. „Ich hatte keine Ahnung.“
„Und du und Bent...? Ich meine,
seid ihr...“
„Nein. Das ist vorbei.“
Ihre Mutter wirkte erleichtert. Sie
legte ihr die Hand auf die Schulter. „Ist besser so, glaub mir.“
Wenn sie dachte, sie trauerte Bent
nach, war sie auf dem Holzweg. Es tat weh, dass er sie hintergangen hatte, aber
mehr war es nicht. Im Gegenteil, sie war im Grunde genommen erleichtert, dass
es aus war, so war sie frei und konnte tun und lassen, was sie wollte, und
musste sich nicht mehr so vorsehen.
„Meinst du, er hat Sina getötet?“
Judith sah, dass die Augen ihrer
Mutter leicht feucht wurden. „Ich weiß es nicht.“
Das Telefon klingelte und Judith
griff nach dem Hörer, der auf der Arbeitsplatte lag. „Keller?“
„Almut Keller bitte.“
„Mit wem spreche ich denn?“ Es kam
ja wohl gar nicht in Frage, dass sie ihre Mutter womöglich mit jemandem von der
Presse sprechen ließ.
„Ich bin ein Arbeitskollege von
ihr. Sagen Sie nur, Pierre ist dran.“
Argwöhnisch hielt sie die Muschel
zu. Pierre?
„Mama, ein gewisser Pierre ist
dran. Er klingt auch nach einem Franzosen. Willst du ihn sprechen?“
Einen Moment wirkte ihre Mutter
etwas unentschlossen, dann nickte sie seufzend. „Ist gut. Gib ihn mir.“
Judith reichte ihr den Hörer und
sah interessiert, wie sich ihre Mutter von ihr wegdrehte und ins
Weitere Kostenlose Bücher