Die Mädchen (German Edition)
dich.“
Pause am anderen Ende. „Was ist los,
Judith?“
Sie stöhnte. „Die Polizei war schon
wieder hier. Und sie haben mir vorgeworfen, dass ich gelogen habe.“
Er zog hörbar die Luft ein. „Und?
Was hast du gesagt?“
„Ich hab es abgestritten.“
„Das ist gut.“ Sie konnte ihm die
Erleichterung deutlich anhören.
„Aber sie haben mir kein Wort
geglaubt.“
„Macht nichts. So lange sie dir
nichts nachweisen können.“
„Aber ich glaube, das können sie.
Bent hat anscheinend gesagt, dass wir nicht die ganze Zeit zusammen waren.“
„Und dem glauben sie?“
Das war es ja auch, was sie so
gewundert hatte. Seine Aussage allein konnte gar nicht so viel Gewicht haben,
da musste es noch etwas anderes geben. „Anscheinend ja.“
„Bitte Judith. Du willst doch auch
nicht, dass deine Mutter alles erfährt, oder doch?“
Um Gottes Willen. Sie hätte sie auf
der Stelle erschlagen. „Natürlich nicht.“
„Dann bleib bei dem, was du gesagt
hast.“
„Die sind bestimmt morgen wieder
hier.“
„Warte es doch erst mal ab.“
Er hatte gut reden. Ihm rückten sie
ja nicht ständig auf die Pelle.
„Wann sehen wir uns?“
„Heute Abend?“
Ihr fiel ein Stein vom Herzen. „Das
wäre toll. Du meldest dich?“
„Da kannst du Gift drauf nehmen.“
„Dann bis nachher.“
„Judith?“
Sie hatte das Telefon schon vom Ohr
und legte es wieder heran. „Ja?“
„Ich hab dich lieb.“
Ihr wurde ganz warm. „Ich dich
auch.“
Sie hatte kaum Zeit, sich darüber
zu freuen, dass sie ihn abends wiedersehen würde, da prompt ihr Handy
klingelte. Der Anrufer hatte seine Nummer unterdrückt. Darauf stand sie gar
nicht.
„Ja?“ blaffte sie in den Hörer.
„Judith? Kannst du reden?“ Janine.
Was wollte die denn? Jetzt war klar, warum die Nummer unterdrückt war. Sie wäre
bestimmt nicht rangegangen, wenn sie gewusst hätte, dass sie es war.
„Janine? Was ist?“
„Bist du allein?“ Sollte heißen,
kann deine Mutter mithören?
Sie rollte mit den Augen. „Ja. Was
willst du?“
„Ich wollte dich um deine Hilfe
bitten.“
War das ein Scherz? „Wie bitte?“
„Dein Vater ist ausgezogen.“
„Was?“ Geschockt ließ sie sich auf
ihr Bett fallen. „Ihr habt euch getrennt?“
Sie hörte Janine am anderen Ende
seufzen. „So kann man es auch ausdrücken. Nein. Dein Vater hat mich verlassen.“
„Aber warum?“
„Sagen wir, ich hab einen Fehler
gemacht.“
Hatte sie mit jemandem rumgevögelt?
Passte eigentlich nicht zu ihr. So ungern sie das auch zugeben mochte, hatte
sie immer gespürt, dass Janine ihren Vater wirklich liebte.
„Janine, ich verstehe nicht, was du
von mir willst.“
„Ich weiß, wir beide sind nicht
immer gut miteinander ausgekommen.“
Das konnte sie laut sagen. „Aber
ich bin die richtige Frau für deinen Vater. Und tief in deinem Innern weißt du,
dass das stimmt.“
Sie verstand. „Ich soll mich bei
ihm für dich einsetzen.“
„Er schätzt deine Meinung. Das hat
er immer getan. Und du hast ihm niemals gesagt, dass er sich von mir trennen
soll, so wenig du mich auch leiden konntest.“
Das hatte sie wirklich nicht,
anders als Sina, die sich nichts sehnlicher gewünscht hatte, als dass ihre
Eltern wieder zusammen kamen. Sie hatte das alles differenzierter gesehen und
vor allem war ihr eins klar geworden, nämlich dass Janine und ihr Vater
wesentlich mehr gemeinsam hatten als er und ihre Mutter. Janine hatte die
Fähigkeit, ihren Vater glücklich zu machen, wodurch auch immer, ihre Mutter
nicht.
„Okay, ich rede mit ihm.“
„Danke.“
„Ich tue das nicht für dich. Ich tu
das für meinen Vater.“
Sie drückte das Gespräch weg, ohne
ihre Erwiderung abzuwarten. Prima, jetzt hatte sie den Mist auch noch an der
Backe. Sie warf ihr Handy auf den Schreibtisch. Und was jetzt? Ihre Unruhe
machte sie noch ganz fertig. Vielleicht hätte sie doch normal zur Schule gehen
sollen, da hätte sie zumindest Ablenkung. Sie rieb mit der Innenseite ihrer
Hände an den Hosenbeinen entlang. Sie musste irgendetwas tun, sonst drehte sie
noch durch. Sie konnte mal wieder das Bett beziehen. Das wäre immerhin schon
mal ein Anfang. Sie knöpfte den Bettbezug auf und zog ihn von der Decke ab. Das
gleiche machte sie mit dem Kopfkissen. Beide Bezüge ließ sie auf den Boden fallen.
Anschließend pulte sie das Spannbettlaken von der Matratze und nahm die drei
Teile mit in den Flur, in dem ein aus Korb geflochtener Wäschekorb stand. Dort
warf sie alles hinein und dann ging
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