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Die Mädchen (German Edition)

Die Mädchen (German Edition)

Titel: Die Mädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Döhring
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sie in das Schlafzimmer ihrer Mutter am
entgegen gesetzten Ende des Flurs, um dort aus dem Schrank neue Bettwäsche zu
holen. Sie öffnete die Schranktür, nahm ein neues Laken und einen neuen Bezug,
als etwas in ihr Blickfeld kam, das sie innehalten ließ.
    Das Zimmer hatte eine kleine
Nebenkammer, in dem ihre Mutter ihre Schuhe und ein paar Koffer aufbewahrte.
Sie erinnerte sich plötzlich, dass sie ihre Schwester am Vorabend ihres
Verschwindens dort hatte herauskommen sehen. Sie hatte sich nichts dabei
gedacht und gefragt hätte sie ohnehin nicht, da seit der Ohrfeige Funkstille
geherrscht hatte, aber jetzt war sie nicht mehr so sicher. Sie ließ Wäsche
Wäsche sein und ging in die Kammer. Sie knipste das Licht an und ließ ihren
Blick über die Regale schweifen. Meine Güte, was hatte ihre Mutter für eine
Menge Schuhe. Ob Sina sich nur ein Paar hatte ausleihen wollen? Sicher nicht,
denn gepasst hätten sie ihr kaum, bei mindestens zwei Größen Unterschied.
    Was also hatte sie hier gemacht?
Judith kniete sich hin und nahm sich die Koffer vor, einen nach dem anderen. Es
waren insgesamt fünf. Drei neue, die zu einer Serie gehörten, und zwei ganz
alte, mit denen sie das erste Mal in den Urlaub gefahren waren. Dass ihre
Mutter die noch aufbewahrt hatte. Wirklich zu gebrauchen waren die sicher nicht
mehr. Vielleicht aus Nostalgie? Die Koffer waren allesamt leer. Also hatte das
alles nichts zu bedeuten gehabt. Sie wollte aufstehen, als ihr Armreifen
herunterfiel, mal wieder. Scheißding! Also jetzt musste sie wirklich den Verschluss
erneuern lassen, gleich morgen früh würde sie ihn zum Juwelier bringen.
Mahlberg in der Holstenstraße machten doch solche Reparaturen, oder? Er war
knapp unter das Schuhregal gefallen. Sie machte sich flach, um ihn unter dem
Regal hervorzuholen und da sah sie es. Ein Buch, das von unten mit Klebeband an
das Regal geheftet war. Ihr Herz begann wie wild zu klopfen. In Windeseile riss
sie das Buch ab und schlug es auf. Sinas Schrift sah ihr entgegen. Ein
Tagebuch. Ihre Schwester hatte ein Tagebuch. Wieso hatte sie davon nichts
mitbekommen? Und warum hatte sie es hier versteckt? Hatte sie solche Angst,
dass es jemand lesen könnte, wenn es sich in ihrem Zimmer befand? Wer würde
denn so etwas tun?
    Judith nahm das Buch, löschte das
Licht in der Kammer, schnappte sich die Bettwäsche, die noch auf dem Fußboden
lag und hastete zurück in ihr Zimmer. Zur Sicherheit drehte sie den Schlüssel
im Schloss herum. Dann setzte sie sich an ihren Schreibtisch und begann zu
lesen. Sie fing hinten an, mit der letzten Eintragung vom Tag, bevor ihre
Schwester ermordet worden war und die machte klar, warum Sina das Tagebuch in
der Kammer versteckt hatte.
    Heute hab ich Birthe, die blöde Kuh, dabei
erwischt, wie sie in meinem Schrank rumgewühlt hat. Ganz ehrlich, was schiebt
die denn für Filme? Ich hab sie angebrüllt, dass sie abhauen soll. Darauf tut
sie so, als würde ich mich anstellen. Hält mir ein Geldbündel entgegen und will
wissen, woher ich das hab. Als ob sie das was angeht. Wahrscheinlich hätte sie
das einfach eingesteckt, wenn ich sie nicht ertappt hätte. Diese geldgeile
Schlampe. Ich hab ihr gesagt, dass ich ab heute kein Essen mehr von ihr nehmen
werde. Aber das mit dem Tagebuch wird mir zu heiß. Wenn sie das findet, kann
ich den Internetjob vergessen. Ich muss es irgendwo aufbewahren, wo es keiner
findet.
    Judith schüttelte den Kopf über den
Zorn, der ihr aus den Zeilen entgegen sprang. Warum war Sina so aggressiv?
Allerdings fand sie, dass ihre Schwester im Recht gewesen war. Was hatte Birthe
sich dabei gedacht, ihre Sachen zu durchwühlen? Wollte sie so herausfinden, was
Sina trieb? Sie musste sie unbedingt darauf ansprechen. Sie blätterte zurück
und las die Eintragungen der letzten Woche in Sinas Leben. Es stimmte sie
unsagbar traurig. Sina war auf alles und jeden wütend. Sie tat beinahe gerade
so, als ob sich alle Welt gegen sie verschworen hatte und unterstellte jedem
niedere Beweggründe, bei allem, was derjenige tat. Den stärksten Zorn verspürte
sie scheinbar auf sie, weil sie Bent hatte und sie ihn einfach nicht rumkriegen
konnte. Nach einer guten Viertelstunde wusste sie aber auch, woher Sina die
blauen Flecken hatte und das hatte nichts mit Janine zu tun. Aber ohne es zu
wissen, war Judith selbst der Auslöser dafür gewesen.      
     
    Hauptkommissar Funke und Kommissar
Behrend hatten über eine Stunde Fahrtzeit hinter sich, als sie das Gebäude
betraten, in

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