Die Mädchen (German Edition)
selbstsicher wie noch
bei ihrem letzten Aufeinandertreffen und allem Anschein nach ließ er sich
gehen. Er hatte sich nicht rasiert und die Haare waren außer Form. Was Gel doch
alles bewerkstelligen konnte. Na ja, für wen sollte er sich hier drinnen auch
Mühe geben?
Er vermied es, sie anzusehen, was
sie nachvollziehen konnte. Schließlich war sie dafür verantwortlich, dass man
ihn gefasst hatte. Und genau da lag das Problem, dessen sie sich durchaus
bewusst war. Er würde nicht eben viel Lust verspüren, ihr zu helfen. Aber es
kam auf einen Versuch an und wer konnte schon immer genau vorhersagen, wie
Menschen reagierten.
„Hallo Herr Panowsky“, eröffnete
sie das Gespräch.
Er ignorierte sie, schlug die Beine
übereinander und betrachtete seine Fingernägel. Nicht gerade vielversprechend.
„Ich hätte da noch ein paar Fragen
an Sie.“
Er sah ihr kalt in die Augen. „Ohne
meinen Anwalt sage ich Ihnen gar nichts.“
Das lief ja spitzenmäßig! „Es geht
um Ihre Schwester.“
Er zog die Augenbrauen hoch. „Um
Stella? Was soll das denn? Meine Schwester ist seit über acht Jahren tot und
Tuchel, das Schwein, hat sie getötet. Erst brutal vergewaltigt und dann abgeschlachtet.
Was gibt es da noch zu sagen?“
War klar, dass er ihr das noch mal
unter die Nase reiben musste. Sie ging nicht auf seine Frage ein. „Tuchel hatte
eine Freundin damals.“
Panowsky kniff die Augen zusammen.
„Ja. Und?“
„Sie kannten sie, oder?“
Er zuckte mit den Achseln. „Ja.“
„Kannten Sie sie gut?“
„Nicht besonders. Vom Sehen halt.
War ganz hübsch damals.“
„Und Sie haben sie neulich wieder
getroffen?“
Er lehnte sich zurück und
verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich
darüber nicht mit Ihnen rede.“
Das war auch schlau von ihm.
Immerhin ging es um ein laufenden Verfahren. Er war schließlich noch nicht
verurteilt und je nachdem, welche Strategie sein Anwalt verfolgte, würde er den
Teufel tun und sich irgendetwas versauen, indem er ihr Informationen gab, die
ihm in der Verhandlung schaden konnten. Solange sie ihm Fragen stellte, die in
Verbindung mit seinem Mordversuch an Tuchel zusammenhingen, würde sie bei ihm
auf Granit beißen. Also versuchte sie es anders.
„Woher kannte Ihre Schwester Tuchel
überhaupt?“
Er zuckte die Achseln. „Soweit ich
weiß, kannten sie sich nur flüchtig. Auf der Party sind sie sich dann näher
gekommen. Aber das wissen Sie doch bestimmt alles. Sie brauchen doch nur in
Ihre Akten zu sehen.“
„Was war mit Tuchels Freundin? War
die auch auf der Party?“
Er machte ein nachdenkliches
Gesicht. „Das weiß ich nicht mehr. Das kam, glaube ich, gar nicht zur Sprache
damals.“
„Sie hat vor Gericht gegen ihren
Freund ausgesagt.“
„Und dafür bin ich ihr noch heute
dankbar. Wahrscheinlich wäre das Schwein sonst überhaupt nicht erst verurteilt
worden.“
„Tuchel hat behauptet, sie hätte
gelogen.“
Er schnaubte. „Und das wundert Sie?
War doch klar, dass er leugnet.“
„Das mag schon sein“, räumte sie
ein. „Aber was hätte er für einen Grund gehabt, dasselbe noch nach Jahren zu
behaupten? Im Verfahren kann ich das verstehen. Aber warum sollte er seinem
Zellengenossen irgendwelchen Quatsch erzählen? Er war doch schon verurteilt.
Und den Mord selbst hat er ja auch nicht bestritten. Wieso war es ihm dann
wichtig, herauszustellen, dass seine Freundin gelogen hatte? Es hatte doch
sowieso keine Bedeutung mehr, da hätte er doch ruhig die Wahrheit sagen
können.“
Er kniff die Augen zusammen und
musterte sie. „Sagen Sie, was wollen Sie eigentlich hier? Warum stellen Sie
diese ganzen Fragen nach dem alten Fall?“
Was sollte sie darauf erwidern?
Dass sie für einen Freund private Nachforschungen anstellte? Als sie stumm
blieb, erhob er sich. „Ich denke, wir sind hier fertig.“
Scheiße! Auch sie stand auf.
„Bitte, bleiben Sie, Herr Panowsky. Ein paar Minuten noch.“
Er blieb am Tisch stehen und
verschränkte die Arme vor der Brust. „Warum? Wieso, um alles in der Welt,
sollte ich Ihnen einen Gefallen tun? Sie haben dafür gesorgt, dass ich hier
bin. Schon vergessen? Und jetzt stellen Sie mir alle diese Fragen. Es kommt mir
fast so vor, als ob sie Tuchel für unschuldig halten.“
Sie fing sich schnell, aber nicht
schnell genug für ihn. „Mein Gott, das tun Sie tatsächlich. Sind Sie
bescheuert?“
„Bitte, Herr Panowsky. Sie haben
erwähnt, dass Sie mit Tuchels Freundin von damals Kontakt
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