Die Mädchen (German Edition)
das ernst nehmen?“
„Frag mich was Leichteres. Aber wir
sollten auf jeden Fall überprüfen, wer dieser Tuchel ist. Und dieser
Hachmeister soll nicht glauben, dass er mir so einfach davon kommt.“
Das Handy klingelte. „Das wird
Frohloff sein.“ Er nahm das Gespräch entgegen. „Ja? Hallo Roman. Aha, ich
verstehe...Gut, dann wissen wir Bescheid. Danke. ...Nein, wir sind auf dem Weg
dahin....Was?...Okay. Lass uns später darüber reden. Nachher im Büro. Gegen zehn,
würde ich sagen. Gut, alles klar.“
„Was?“ fragte Behrend.
„Guck du auf die Straße“,
entgegnete Funke. „Also die Grothe ist es nicht. Aber die beiden haben über
tausend Euro im Zimmer des Mädchens gefunden. Kannst du dir das
vorstellen?"
„Wie kommt die an so viel Knete?“
„Gute Frage. Roman will noch mal
mit den Eltern sprechen und dann wollen die beiden noch eine Freundin des
Mädchens aufsuchen.“
Behrend schwieg eine Weile und
konzentrierte sich allem Anschein nach auf den Verkehr, was Funke sehr begrüßte.
Er hasste es, Beifahrer zu sein. Er hatte dabei immer das Gefühl, dass er die
Verantwortung für sich selbst aus den Händen gab und wer ging schon so
verantwortungsbewusst mit einem um wie man selbst.
„Das heißt dann wohl, dass wir das
große Los gezogen haben.“
Funke wusste, was sein junger
Kollege meinte. Die Grothes hatten noch Hoffnung, aber den Kellers würden sie
jeden Augenblick die Hoffnung nehmen, dass ihre Tochter lebend zurückkehrte.
„Was tun die beiden da oben?“ Simon
Grothe lief unruhig im Wohnzimmer auf und ab.
„Die suchen nach irgendwelchen
Hinweisen.“
„Hast du da nicht schon längst
nachgesehen?“
„Ich wüsste gar nicht, wonach ich
suchen sollte.“
Wieso, verdammt, hatte sie das
nicht schon früher gesagt? Er hatte sie doch mehrmals danach gefragt, ob sie
was gefunden hatte. Hätte er das vorher gewusst, hätte er selbst mal das Zimmer
durchsucht. Was machte das für einen Eindruck, wenn die da oben jetzt was
fanden, was ganz offensichtlich irgendwo herumlag? Wieso war seine Frau so
lethargisch? Mann o Mann, sie ergab sich mal wieder in ihr Schicksal. Wie in
ihrer Ehe.
Und dieser resignierende Ton von
ihr ging ihm mittlerweile echt auf die Nerven. Als ob sie Merle schon
aufgegeben hatte. Er hatte nicht gewusst, wie schwach Cordula war. Wie pessimistisch.
Als die beiden Beamten kamen, hatte sie sofort gedacht, Merle wäre tot und war
in Tränen ausgebrochen. Das wäre ihm nie passiert. Ihm war völlig klar gewesen,
dass das auf dem Bild nicht Merle sein würde und war demzufolge nicht
überrascht gewesen, ein anderes Mädchen abgebildet zu sehen. Eines, das er noch
nie zuvor gesehen hatte.
Im Gegensatz zu seiner Frau hatte
er keine Sekunde geglaubt, dass Merle tot war. Er verschwendete nicht einen
Gedanken daran. Sie war aus freien Stücken verschwunden, es konnte nicht anders
sein, auch wenn er den Grund dafür nicht kannte. Sie wollte ihm bestimmt nur
aus dem Weg gehen, in der Hoffnung, dass er sich nach der Geschäftsreise
beruhigt hatte. Das war es, was er sich immer wieder sagte, weil alles andere
einfach nicht sein durfte. Irgendwann würde sie schon zurückkommen und
wahrscheinlich ohne die Hilfe der gehirnamputierten Polizei.
Wenn es nach ihm gegangen wäre,
hätte er die gar nicht erst alarmiert, aber Cordula hatte darauf bestanden. Wen
die immer schickten... Gestern Abend kamen diese Jüngelchen, die nicht einmal
verbergen konnten, dass sie sie für schlechte Eltern hielten, die aufgrund
ihres schlechten Gewissens diese Vermisstenanzeige aufgaben. Es war
überdeutlich, dass die annahmen, Merle war wegen familiärer Probleme abgehauen.
Wahrscheinlich hatten sie das Foto, das sie ihnen mitgegeben hatten, irgendwo
als Schreibunterlage benutzt, weil sie annahmen, dass sie es ohnehin nicht
brauchten. Und jetzt waren es diese beiden. Der Typ ging ja mal gar nicht. Unfreundlich
und null in der Lage, zu verbergen, dass sie schlampig gearbeitet hatten. Das
Mädel war da schon eher auf Zack, aber seiner Meinung nach zu sehr auf
Schadensbegrenzung ausgerichtet. Als ob sie überhaupt daran gedacht hätten, das
Bild schon in die heutige Ausgabe zu bringen. Das konnte sie ihrer Großmutter
erzählen. Er versprach sich nicht viel von ihnen.
Er sah auf die Uhr. Gleich sechs.
Großartig. Jetzt hätte er eigentlich schon im Flugzeug nach Frankfurt gesessen.
Stattdessen harrte er hier aus, in der Gewissheit, dass sein Verzicht auf die
Reise völlig überflüssig war und
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