Die Mädchen (German Edition)
da einen Verdacht?“
„Na, Sie sind gut. Nein, natürlich
nicht.“
„Wir würden dann auch gern noch mit
Ihrer Lebensgefährtin sprechen. Können Sie uns sagen, wo wir sie finden?“
Marius starrte ihn an. Hatte Almut
Janine noch gar nicht erwähnt? „Na hier. Sie arbeitet in der Praxis.“
Er sah, wie die beiden einen Blick
wechselten, und musste nicht groß grübeln, was der zu bedeuten hatte. Der Chef
und seine Assistentin, das war ja klar, und wahrscheinlich lange hinter dem
Rücken der Exfrau. Das übliche Klischee halt. Er war zu müde, um sich darüber
zu ärgern.
„Janine Wrede. Sie sagt gerade alle
Termine für heute ab. Sie können ja mit ihr reden, wenn wir fertig sind. Obwohl
ich nicht weiß, ob Janine Ihnen etwas anderes sagen kann als ich.“
„Einen Versuch ist es wert“, meinte
der Mann in unbekümmertem Ton. „Vielleicht hat sie ja mal Ihre Tochter mit
einem Nachbarn gesehen oder so. Obwohl...“
Er horchte auf. „Was?“
„Na ja, wahrscheinlicher erscheint
uns eigentlich, dass Ihre Tochter Sie nur als Alibi benutzt hat.“
„Was soll das heißen?“ Wollten Sie
Sina jetzt auch noch schlecht machen? Das war ja wohl die Höhe!
„Nun regen Sie sich bitte nicht
auf. Der Verdacht drängt sich einem geradezu auf, so gut passt es. Ihre Tochter
sagt Ihrer Schwägerin, dass sie bei Ihnen ist, damit die sich nicht um sie kümmern
muss. In Wahrheit hatte sie etwas ganz anderes vor. Und sie hat dadurch Zeit,
bis ihre Mutter nach Hause kommt, was ja scheinbar ziemlich spät ist.“
„Was für einen Mist Sie sich da
zusammen reden.“
Seine Stimme klang hoffentlich
bestimmt, denn im Inneren war er weit weniger überzeugt, dass die Überlegung
des Mannes weit hergeholt war. Es konnte schon sein, dass Sina ihn als Alibi
benutzt hatte. Schließlich hatte sie nicht mal bei ihnen angerufen, um zu
fragen, ob es in Ordnung ginge, wenn sie die Nacht bei ihnen verbrachte. Und
das tat sie sonst immer. Außerdem war sie seit Wochen nicht bei ihnen gewesen
und das aus gutem Grund, warum also jetzt auf einmal? Da lag doch die Vermutung
nahe, dass sie eigentlich etwas ganz anderes geplant hatte. Er selbst hatte ja
schon denselben Gedanken gehabt, aber es war immer noch etwas anderes, wenn ein
Fremder diesen Gedanken aussprach, weil man instinktiv doch immer dazu neigt,
sein Kind vor anderen in Schutz nehmen zu wollen. Er merkte plötzlich, dass sie
auf mehr warteten, so wie sie ihn anstarrten.
„Also schön. Gehen wir mal zum Spaß
davon aus, dass Sina nur so getan hat, als ob sie zu uns wollte. Was sollte sie
damit bezwecken?“
„Das fragen wir Sie.“
Er zuckte mit den Schultern. „Was
wollen Sie hören? Dass sie einen Freund hatte, mit dem sie die Nacht verbringen
wollte?“
„Zum Beispiel.“
„Ich kann Ihnen da nicht helfen.
Wirklich nicht.“
Und das bedauerte er mehr, als er
ihnen sagen konnte. Wenn er nur mehr Anteil an ihrem Leben gehabt hätte,
vielleicht wüsste er dann auch mehr, wer ihre Freunde waren. Vielleicht hätte
er so verhindern können, was geschehen war. Er fühlte sich plötzlich ganz
schwach.
„Entschuldigen Sie, aber wenn ich
ehrlich bin, wäre ich jetzt gern allein.“
Die beiden verstanden den Wink
sofort. Die Frau erhob sich. Der Mann nickte.
„Kein Problem. Wenn Ihnen etwas
einfällt, bitte rufen Sie uns an.“ Er reichte ihm eine Visitenkarte. „Ganz
unten steht auch meine Handynummer. Sie können mich also jederzeit erreichen,
wenn es nötig ist. Bitte tun Sie das.“
Er nahm die Karte entgegen. „Kann
ich meine Tochter noch mal sehen?“
Er wusste, dass es ihn fertig
machen würde, aber er konnte einfach nicht anders. Irgendwie hatte er das
Gefühl, als müsste er auf Nummer Sicher gehen. Nur wenn er sie wirklich vor
sich liegen sah, konnte das alles für ihn real werden.
„Natürlich. Sie ist in der
Gerichtsmedizin. Wir rufen Sie an, sobald die Untersuchungen abgeschlossen
sind.“
Traurig sah er ihnen nach, wie sie
das Sprechzimmer verließen.
Janine Wrede sah unruhig auf die
Uhr. Worüber sprachen die da drinnen die ganze Zeit? Der arme Marius. Am
liebsten wäre sie einfach reingelaufen und hätte ihm beigestanden, aber er
hatte ihr ja unmissverständlich klar gemacht, dass er ihre Unterstützung nicht
wollte. Sie hatte gemerkt, wie er sich versteifte, wann immer sie sich ihm
näherte. Seitdem er in der Nacht von Almut zurückgekommen war, hatte er sie
nicht an sich herangelassen. Er hatte sich zwar herausgeredet, aber sie war
nicht
Weitere Kostenlose Bücher