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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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verschwinden, geht es uns schlecht!«
    Aufgeregt fuhr der Korporal fort, daß die ersten Kosakenhorden und Bauerngruppen schon in der Stadt seien und jeden Fremden niedermachten, auf den sie träfen. Der Wagen war bereits angespannt und Matthäus half Juliane auf den Bock.
    »Wo ist Johannes?« fragte sie, halb im Traum.
    »Beim Oberst. Vorausgeritten. Wir schließen uns dem Zug der Zivilpersonen an.«
    Erst als sie sich in die Karawane eingereiht hatten, die hinter den Soldaten aus der Stadt zog, warf Matthäus wieder einen Blick auf seine Frau. Zusammengesunken saß sie neben ihm, den leeren Blick nach vorn gerichtet, wo tausende von Kutschen, Karren, Droschken, Chaisen und Wagen über das Pflaster ratterten.
    »Julchen«, schrie ihr Matthäus in die Ohren, um den alles betäubenden Lärm zu übertönen. »Wir leben und wir sind zusammen. Alles andere wird sich finden.«
    Nicht meine Goldpuppe, dachte Juliane nur.
    Ein paar hundert Fahrzeuge vor ihnen saß Clärle stolz auf dem Bock des hochbeladenen Wagens, der einst einer holländischen Marketenderin gehört hatte und der seit den ersten Tagen des Einmarschs im Stall des Steinhauses gestanden hatte. Sie fühlte sich jetzt etwas besser als acht Stunden zuvor, als sie in Mimi Manons Suite gekommen war und diese leer vorgefunden hatte.
    Ein französischer Wachmann erklärte ihr, die Herrin habe zusammen mit Napoleon Hals über Kopf Moskau verlassen und riet ihr auch, schnell zu verschwinden, da der Kreml in wenigen Minuten explodieren würde. Wie vom Teufel gejagt, rannte sie davon und kam erst wieder zu Atem, als sie eine halbe Stunde später beim Steinhaus angekommen war.
    Sie fiel Georg in die Arme, der sich aus Angst um sein Eigentum wieder von seinen Kameraden getrennt hatte und gerade mit dem Wagen losziehen wollte. Er freute sich so darüber, sie zu sehen, daß sie Mimi Manon augenblicklich vergab und sich sofort bereit erklärte, Georgs Wagen zu lenken. Mössner selber ging mit vorgehaltener Waffe neben dem Wagen her und bewachte seine Beute. Er hatte vergeblich versucht, ein zweites Pferd aufzutreiben und hoffte, die magere Mähre würde durchhalten.
    Er staunte über die Menschenmassen, die sich auf die Stadttore zuwälzten, sah unzählig viele Frauen und Kinder und sprach einige an, die neben ihm hergingen. Die meisten sahen ihn nur verständnislos an und sagten etwas auf Französisch, bis ihn eine junge Frau mit französisch gefärbtem Tonfall auf deutsch fragte: »Herr Soldat, werden Sie uns auch ordentlich beschützen?«
    Er lachte das hübsche blonde Mädchen an und erklärte, das sei genau seine Aufgabe, aber er würde doch gern wissen, warum so viele Kinder und Frauen den Soldaten folgten. Er erfuhr, daß französische Frauen, die schon seit langem in Moskau lebten, ihre Häuser aus Angst vor der Rache der zurückkehrenden Russen verlassen hatten.
    »Dabei waren das alles einmal unsere Freunde«, sagte die junge Frau niedergeschlagen. »Mein Mann ist Russe«, setzte sie unvermittelt hinzu.
    Mössner blieb der Mund offen stehen: »Dann wird er Ihnen doch nichts tun!«
    Sie blickte nach vorn, in ihren Augenwinkeln glänzten Tränen. »Natürlich nicht. Aber seine Freunde, seine Kameraden, die wissen, daß er eine französische Frau hat.« Sie wischte sich die Augen. »Früher war er sogar stolz darauf, aber jetzt mache ich ihm Schande. Darum muß ich weg.«
    »Und wo gehen Sie hin? Wo ist Ihr Mann jetzt?« fragte Mössner.
    »Ich will nach Lyon, zu meinen Eltern. Vielleicht sucht er mich dort, wenn alles vorbei ist. Er …« Sie hob den Kopf zu den Hügeln und Mössner verstand, daß der Mann der flüchtenden Frau irgendwo mit der russischen Armee darauf wartete, die Karawane zu überfallen.
    Gerter, der viel weiter vorn neben Oberst von Röder ritt, wunderte sich über die Richtung, die der meilenlange Zug einschlug.
    »Ich dachte, wir befinden uns auf dem Rückzug. Dann müßten wir uns doch auf Polen zubewegen«, sagte er, »warum reisen wir in südliche Richtung?«
    Der Oberst sah ihn von der Seite her an. »Napoleon will sein Gesicht nicht verlieren«, sagte er nur und Gerter verstand. Der Kaiser, der eigentlich dem verbündeten Polen zustrebte, machte den Umweg über den Süden, um den Abmarsch aus Moskau nicht als Rückzug, sondern als planmäßige Weiterbewegung der Armee erscheinen zu lassen.
    »Außerdem ist entlang der westlichen Heerstraße alles verwüstet«, fuhr von Röder fort, »da gibt es nichts mehr für den Truppenunterhalt und

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