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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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und schloß wieder die Augen.
    Am Morgen schien die Kälte noch schneidender zu sein und machte das Atmen so mühsam, daß nicht ein Wort fiel, als sich diejenigen, die noch die Kraft dazu hatten, aus ihren Schneegräbern erhoben. Die Sonne, die jetzt einer trüben Mondscheibe ähnelte, war keine Wärmequelle mehr, sondern eine Qual: Ihre Strahlen drangen schmerzhaft in Augen, die vom Schneeglanz geblendet und vom Rauch der nächtlichen Feuer entzündet waren. Immer wieder erklangen Schreie von Soldaten, die, vor Schmerzen irrsinnig geworden, feldeinwärts taumelten, bis sie umfielen und im Schnee liegenblieben.
    Außer diesem gespenstergleichen Zug bewegte sich kein lebendes Wesen in der starren Natur, und außer gelegentlichen Schreien von wahnsinnig Gewordenen vernahm man nichts als das Knirschen des Schnees unter den Füßen und hin und wieder das Stöhnen eines halb tot Hingesunkenen. Flehentlich blickten diese Unglücklichen zu ihren Gefährten, die, selbst von Qualen gepeinigt, teilnahmslos und stumpfsinnig an ihnen vorbeischritten, ohne sie auch nur anzusehen. Gerter erschrak darüber, daß ihn nichts mehr entsetzte, nicht einmal der Anblick von zwei Württembergern, die unzertrennlich gewesen waren und jetzt beim Kampf um ein Stück rohes Pferdefleisch wild aufeinander einstachen.
    Er marschierte schweigend neben Generalmajor von Röder und Felix her. Nur zu dritt gelang es ihnen, sich derjenigen zu erwehren, die ihnen mit aller Gewalt die Pelze vom Leib reißen wollten.
    Am Morgen des 5. Dezember erreichten sie Smorgonie. Dort trafen sie zu ihrer großen Freude auf einen Trupp von rund tausend Württembergern, die im August als Ergänzungsmannschaft das Vaterland verlassen hatten und jetzt von Wilna aus den Rückzüglern entgegengeschickt worden waren.
    Eugen von Röder wollte sich zu dem diensthabenden Offizier durchfragen. Doch nur ein Krächzen entrang sich seiner Kehle. Auch Johannes war nicht mehr in der Lage zu sprechen, nur Felix konnte sich im Flüsterton verständlich machen. Endlich führte sie ein Soldat in das besetzte Haus, das vorübergehend zum Hauptquartier ernannt worden war.
    Als der diensthabende Offizier seine drei Landsleute sah, orderte er sofort Essen und Trinken. Verbittert berichtete er ihnen, daß sich Napoleon aus dem Staub gemacht hätte.
    »Er ist eben nur auf seine persönliche Rettung bedacht«, fügte der Offizier mühsam beherrscht hinzu, während er Rotwein ausschenkte. »Er hat wichtige Depeschen erhalten, die seine sofortige Anwesenheit in Frankreich erforderlich machten – wurde uns erzählt.«
    »Vielleicht wird er ja endlich entthront«, röchelte Johannes und staunte über seine eigene Stimme.
    »Solche Gerüchte gibt es. Es heißt, daß sich General Mallet in Paris zugunsten der Bourbonischen Dynastie mit den Royalisten verschworen und in den letzten Oktobertagen einen Aufstand angeführt hat.«
    »Ein feiner Kaiser, der«, erklang es vom Nebentisch. »Erst zwingt er uns zu diesem Feldzug und jetzt rennt er davon wie ein feiger Hund und überläßt uns unserem Schicksal!«
    Man hörte Gläserklirren und immer wieder den Ausruf: »Tod dem französischen Kaiser!«
    Eugen von Röder lächelte Johannes gequält an und flüsterte: »Es scheint, daß hier keiner mehr Angst vor der Guillotine hat!«
    Er lehnte das Angebot des diensthabenden Offiziers ab, dessen Bett zu übernehmen und zog sich bald darauf mit Johannes und Felix in eine warme Stube zurück, deren Boden mit Stroh ausgelegt worden war.
    »Kann einer von euch mir helfen?« bat der Generalmajor. Er schaffte es nicht mehr, seine Stiefel vom Fuß zu ziehen.
    Mit vereinten Kräften gelang es Felix und Johannes, die dick geschwollenen Füße zu befreien. Eugen von Röder wickelte die Lappen ab und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Johannes' Blick blieb an dem linken Fuß hängen. Starr vor Staunen rief er: »Mein Gott, es stimmt! Ich hätte nie gedacht, daß Sie es sind!«
    »Du«, erwiderte Eugen von Röder und als ihn Johannes verständnislos ansah, fragte er: »Du sollst doch du sagen. Was bin ich denn?«
    »Die Assenheimerin …« Als er den Namen aussprach, griff eine kalte Hand nach seinem Herzen und er holte tief Luft.
    »Was ist mit der Assenheimerin?« fragte der Generalmajor. »Wo ist sie überhaupt abgeblieben?«
    Die Brücke, dachte Gerter, die Brücke. Auf diese Frage kann ich nicht antworten. Er schluckte und sagte so ruhig wie möglich: »Die Assenheimerin hat mir einmal von einem

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