Die Maske des Alien
Füßen. Er mußte lernen, zu Boden zu sehen und zu navigieren. Das Gehen ermüdete ihn. Als das Battachran-Hotel noch einen Block weit entfernt lag, beschloß er, anzuhalten und sich für einen Augenblick in einem Tempel auszuruhen.
Ein schadhaftes Tor, dessen Angeln im Wind knarrten, führte in einen Hof. In einem runden Wasserbecken wirbelte fließendes Wasser, in dem zischend Blasen an die Oberfläche stiegen. Auf den gesprungenen Steinplatten auf dem Boden des schattigen Innenhofes spielte das Licht, das von einer Bierkneipe an der Straße herüberdrang. Er setzte sich hin und starrte zu den drei gerippten Bögen hinauf, die selber müde aussahen; einer war, mehr als die anderen, in sich zusammengesunken. Eine Hängelampe leuchtete bläulich, und der kleinere Mond Alveas stieg zernarbt und rot über dem milchweißen Fries des Tempels empor. In Skallons Augen bildeten die Eisenoxyde des Mondes einen hübschen Kontrast zu den vergilbten Neunundneunzig Namen des Einen, die den Fries bedeckten. Leise las er ein paar der Namen und verfiel dabei unbewußt in den Rhythmus des hohlen Getrommels, das aus einer Nebenstraße herüberklang, gelegentlich von den Schreien irgendwelcher Tänzer unterbrochen. Während er noch las, bewegte sich einer der elfenbeinfarbenen Pfeiler des Tempels. Dann kräuselte sich ein zweiter in dem matten Licht. Joane trat aus dem Tempel heraus in das blasse, rosafarbene Mondlicht. Sie schaute nach links und sah ihn nicht.
„Joane.“
„Oh! Ihr habt mich erschreckt. Ihr seid der …“
„Ja. Sprecht das Wort nicht aus. Ist noch jemand hier?“
„Nein. Nein, ich glaube nicht. Aber Ihr solltet nicht hier sein.“
„Warum nicht?“
„Ich … nun, man muß seine Schuhe und allen Schmuck ablegen, ehe man einen Tempel betritt.“
„Das habe ich getan. Seht Ihr?“
„Oh. Es tut mir leid, ich dachte, Ihr wüßtet das nicht.“
„Ich weiß nicht nur solche Kleinigkeiten.“
„Das müßt Ihr wohl, bei Eurer vollkommenen Aussprache. Die meisten Erdler haben sich dieser Mühe nicht unterzogen. Dennoch ist es ungewöhnlich, daß ein Erdler sich an die Zeremonien hält, selbst wenn er sie kennt.“
„Warum?“
„Überlegt doch. Ihr dachtet, es sei niemand im Tempel. Das dachte ich auch. Ihr hättet Eure Schuhe und Euren Schmuck anbehalten können, denn es wäre ohnehin niemand dagewesen, der es gesehen hätte.“
„Der Gott der Neunundneunzig Namen wäre hiergewesen.“
Sie sah ihn prüfend und überrascht an. „Das ist wahr. Und es ist schön gesagt. Ich werde es mir merken.“
„Ist das Nennen der Namen nicht der Zweck dieses Schreines?“
Joane lachte. Es klang wie ein perlendes Glöckchen. „Ich komme her, um mich auszuruhen.“
„Warum entspannt Ihr Euch nicht zu Hause?“
„Manchmal möchte ich allein sein.“
„Es tut mir leid, daß ich Euch gestört habe.“ Er trat in die Schatten zurück, als wollte er gehen.
„Nein, nein. Bleibt doch. Ich bin hier sowieso fertig. Und wenn Ihr mich zum Hotel zurückbegleiten wolltet, würde das meinem Gatten gefallen.“
Skallon setzte sich auf ein marmornes Geländer. „Weshalb?“
„Er wünscht nicht, daß ich im Dunkeln allein ausgehe. Er sagt, die Straßen werden allmählich gefährlich. Natürlich hat er recht. Vor wenigen Tagen wurde meine Schwester bei Sonnenuntergang überfallen. Man stahl ihr den Marktkorb und die Lebensmittel für zwei Tage.“
„Pestopfer?“
„Höchstwahrscheinlich. Aber wenn ich mit einem zuverlässigen Begleiter wie Euch zurückkehre, wird mein Mann nichts dagegen haben. Es wäre sogar eine Ehre für ihn.“
„Ich verstehe.“ Skallon nickte. Keiner von beiden machte Anstalten, aufzustehen und zum Hotel zurückzugehen. Joane legte die Handflächen
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