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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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diesem Augenblick hatte Vitus das Papier bereits wieder fortgenommen. Nochmals studierte er im Schein des Lichts das Pergament. Dann sagte er: »Kein Grund zur Aufregung. Ich habe nur den letzten Satz Petrarcas wörtlich genommen und sein Papier über eine Flamme gehalten. In der Tat sind durch die Hitze weitere Buchstaben erschienen. Sie sind mit einer Spezialtinte geschrieben worden – eine einfache Vorgehensweise, wenn einer nicht will, dass seine Gedanken in falsche Hände geraten.«
    »Spezialtinte? Was für eine Spezialtinte?«, fragte der Magister irritiert. »Was steht denn da? Du spannst den Professor und mich ganz schön auf die Folter!«
    »Es handelt sich offenbar um eine wasserhelle Flüssigkeit, die im getrockneten Zustand durch Wärme nachdunkelt. Es gibt viele solcher Flüssigkeiten. Am einfachsten nimmt man den eigenen Urin. Doch nun zum Text. Ich kann ihn nicht lesen. Er muss in einer Art Geheimschrift aufs Papier gebracht worden sein.«
    »Lasst mal schauen!« Häklein beugte sich gespannt über das Pergament. Was er sah, las sich so:
    G M H E R W V F L D I W M V W N H W C H U M V F L
    G R F L Z D L V G H U I O R L E U M Q K W G M H S H
    V W H U V W H U R H W H W H U G M H U D W W H
    G D Q D F L Z H Q Q V M H H U N D O W H W G H Q P
    H Q V F L H Q G D Q Q G H U P H Q V F L G H Q P H Q
    V F L H Q X U V D F L H Y R Q D O O H P D E H V M V
    W G H O I O R L G M H V H U N D Q Q W H I U D Q F H
    V F R S H W U D U F D             
    »Ich verstehe das nicht«, murmelte Girolamo. »Zweifellos eine Geheimschrift, deren Schlüssel wir nicht kennen. Der Absender wollte nicht, dass seine Gedanken sich jedermann erschließen.«
    »Umso wichtiger, dass wir erkennen, wie er seine Nachricht verfremdete«, sagte Vitus.
    »Richtig«, nickte der Magister. »Petrarca hat uns hiermit eine verzwickte Aufgabe gestellt. Allerdings sollten wir sie lösen können, immerhin sind wir zu dritt und akademisch vorgebildet. Ich fange mal an und denke einfach laut: Petrarca war, wie wir wissen, nicht nur ein Dichter, sondern auch ein hochgebildeter und aufgeschlossener Mann. Da liegt es nahe, dass er sich mit den Schriftstellern der Griechen und Römer gut auskannte. Aber kannte er sich auch mit Geheimschriften aus? Welcher der berühmten Männer benutzte überhaupt eine Verschlüsselung? Nun?« Er blickte fragend in die Runde.
    Als keine Antwort kam, gab er sie selbst. »Mehr oder weniger alle. Die Zeiten waren damals wie heute unsicher, und wer nicht immer mit den Oberen einer Meinung war, lief Gefahr, verbannt oder getötet zu werden. Am meisten aber fanden Geheimverschlüsselungen wohl auf dem militärischen Sektor statt.«
    »Ich ahne, auf wen du hinauswillst«, sagte Vitus.
    »Ich auch«, fügte Häklein hinzu. »Denkt Ihr an einen großen Feldherrn, Herr Magister? Womöglich an Alexander … doch nein, der kann nicht als Schriftsteller durchgehen, dann bleibt eigentlich nur noch …«
    »Richtig! Gaius Julius Cäsar!« Der kleine Gelehrte machte eine weit ausholende Geste. »Womit wir das Rätsel fast schon gelöst hätten. Wir brauchen nur noch herauszufinden, welcher Art von Cäsars Verschlüsselungen sich Petrarca bediente. Ich vermute, dass es sich um eine so genannte Cäsar-Verschiebung handelt. Denn oftmals ersetzte der Imperator einfach jeden Buchstaben seiner Nachricht durch einen anderen, und zwar genau durch jenen, der eine, zwei, drei, vier, fünf oder noch mehr Stellen weiter im Alphabet folgt. Bei fünf Stellen würde somit aus jedem A seines Textes ein F werden.«
    »Das leuchtet ein!«, nickte Häklein lebhaft. »Wir müssten also nur noch herausfinden, für wie viele Positionen weiter er sich entschieden hat.«
    »Und das ist zeitaufwändig«, seufzte der kleine Gelehrte. »Versuchen wir, immer vorausgesetzt, ich habe mit meiner Vermutung der Cäsar-Verschiebung Recht, das Verfahren abzukürzen. Nehmen wir einfach jede dritte Stelle, vielleicht geschieht das Wunder.«
    Und das tat es.
    Das Unterfangen war zwar mühsam, aber als die ersten Wörter – wie durch einen Nebel herankommend – Gestalt angenommen hatten, arbeiteten die drei Männer umso eifriger weiter. Es dauerte eine geraume Weile, doch dann hatten sie einen neuen, wenn auch schwer lesbaren Text, den Vitus Zeile für Zeile am Tisch des Archivs sitzend

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