Die Mission
zündete sich eine Zigarette an, nahm einen kräftigen Zug und grinste Trixie an. »Aber auch Sie, und an Ihrem Blick sehe ich, dass Sie den Jungs mehr als nur ein paar aufmunternde Worte mit auf den Weg geben werden, egal ob Sie sich am Kampf beteiligen dürfen oder nicht.«
Plötzlich wurden sie vom Schrei eines der Posten unterbrochen, die auf den Hausdächern der Straße Wache hielten.
»Ballon in Sicht!«
Trixies Blick folgte seiner Hand. Etwa eine Viertelmeile entfernt schwebte in einer Höhe von siebzig Metern einer dieser neuartigen Wasserstoffballons der Speke-Klasse. Die riesige Hülle leuchtete hellrot in der Abendsonne. Er wirkte vollkommen friedlich und harmlos, als er so dahinschwebte. Sie erkannte zwei Männer im Korb, die sich mit einem Teleskop die Straßenbarrikaden ansahen. Die Linse funkelte in der Sonne.
Wysochi warf seinen Zigarettenstummel weg. »Kommen Sie, der Ballon ist bereits in der Luft. Höchste Zeit, dass wir uns aus dem Staub machen.« Er hielt die Hände vor den Mund. »Geht in Deckung!«, rief er den Soldaten der Befreiungsarmee zu, die um die Kohlebecken standen und sich aufwärmten. Dann nahm er Trixie am Arm und brachte sie zu einem der Keller, die zu Bunkern ausgebaut worden waren.
»Vergesst es«, rief Leutnant Gorski. »Das ist nur ein Ballon.«
»Die berechnen die Entfernung für ihre Artillerie«, rief Wysochi zurück, während er Trixie eilig die Kellertreppe hinunterführte.
Das Gespräch wurde jäh von einem seltsamen Pfeifen unterbrochen, das die Stille zerriss.
Trixie hatte in den Büchern ihres Vaters in der Bibliothek Schilderungen von Artilleriefeuer gelesen, war aber trotzdem wie betäubt – wortwörtlich –, als sie sich plötzlich mitten in einem solchen wiederfand. Der Lärm der einschlagenden Granaten war dermaßen gewaltig, dass sie spürte, wie sich das gesunde Ohr jetzt auch verschloss. Der Krach aber war nichts im Vergleich mit der Schockwelle, die auf die Detonation folgte. Selbst hier, im Schutz des Kellers, wurde sie durch die Gegend geschleudert und schlug mit dem Kopf gegen die Backsteinwand. Sie spürte einen stechenden Schmerz in ihrer verletzten Schulter. Einen Augenblick lang kauerte sie in Fötushaltung auf dem Boden, taub, gefühllos und erschüttert von der Wucht der Explosion, die sie gerade erlebt hatte. Schmutz und Staub regneten auf sie herab. Jeder Atemzug schmeckte nach pulverisierten Backsteinen. Sie hustete und versuchte, den erstickenden Staub auszuspucken.
Dann spürte sie eine Hand auf der Schulter, und als sie aufblickte, erkannte sie Wysochis besorgten Blick. Er war in eine weiße Staubschicht gehüllt. Seine Uniform war ebenfalls übel mitgenommen. Der rechte Ärmel der Jacke war zerfetzt, die Hose an den Knien zerrissen und steif vor Dreck. Er sprach mit Trixie, aber sie konnte nichts hören. Sie steckte je einen Finger in die Ohren und massierte sie.
Wysochi erhob die Stimme: »Sind Sie verletzt?«
Trixie rappelte sich auf und machte eine hastige Bestandsaufnahme. Sie hatte Unmengen von Schrammen und blauen Flecken, aber die Knochen waren offensichtlich alle noch heil. Unsicher murmelte sie: »Alles in Ordnung«, und stellte erfreut fest, dass sie ihre eigene Stimme hören konnte, wenn auch nur gedämpft.
»Gut, dann folgen Sie mir.« Wysochi stieg die Kellertreppe wieder hinauf.
Oben erwartete Trixie eine Szene des Grauens, ein wahres Blutbad. An die zehn Männer und Frauen, die dabei gewesen waren, der Straßenbarrikade den letzten Schliff zu geben, waren von den einschlagenden Granaten überrascht worden, jetzt lagen ihre zerfetzten Körper überall auf den zerborstenen Pflastersteinen verstreut. Unter den Toten war auch Leutnant Gorski. Sein Kopf war unnatürlich verdreht, als hätte er sich das Genick gebrochen.
Trixie blickte sich um. Weit und breit waren weder Offiziere noch Unteroffiziere zu sehen, nur ein Pulk verwirrter und zu Tode erschrockener Soldaten. Dann krachte es ohne jede Vorwarnung erneut, und Wysochi und Trixie wurden von dem herabfallenden Schutt fast begraben. Als sie wieder aufstand, lag der Feldwebel, von einem Ziegel am Kopf getroffen, reglos auf der Straße.
Sie sah auf ihn hinunter. Es war unmöglich, dass ein so kräftiger Mann so einfach wie ein Baum gefällt werden konnte. Er war ein Fels gewesen. Unzerstörbar. Sie sah sich erschrocken um und wusste nicht, was sie jetzt tun sollte … allein.
»Dampfwagen … Dampfwagen der SS «, schrie jemand, und die zitternde Stimme verriet
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