Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mondrose

Die Mondrose

Titel: Die Mondrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Helmin
Vom Netzwerk:
dieser Farce von einer Hochzeit nicht mehr finden.«
    »Aber wo ist sie denn? Ich habe sie eben noch gesehen!«
    »Ich habe Max angewiesen, sie nach Hause zu bringen«, antwortete Mildred eisig. »Was soll sie hier? Geeignete Herren, die als Bewerber in Frage kämen, werden ihr kaum vorgestellt werden.«
    »Aber wir sind hier!«, rief Esther. »Ihre Familie. Wir könnten ihr helfen, über ihren Kummer hinwegzukommen.«
    »Von Kummer will ich nichts hören«, erwiderte Mildred schneidend. »Phoebe ist ein Mädchen aus bester Familie und hat blendende Heiratsaussichten. Sie hat zu Kummer keinen Grund.«
    »Aber sie ist doch …«, begann Esther, brach ab und schwieg. Mildred hatte oft genug wissen lassen, was sie von Horatio dachte. Auf seine Hochzeit ging sie nur, um Onkel Hector und Tante Bernice, die nicht geladen waren, eins auszuwischen. Besser, Esther ließ Phoebes unglückliche Liebe auf sich beruhen. Etwas anderes wollte sie Mildred jedoch sagen. »Ich glaube, Phoebe hat Angst, dich zu enttäuschen, weil du dir so sehr eine gute Partie für sie wünschst. Vielleicht wäre sie erleichtert, wenn du ihr sagtest, dass es damit nicht eilt und dass du sie gerade so lieb hast, wie sie ist.« Das hatte vorhin Nora über Horatio gesagt. Es musste schön sein, von einem Menschen so geliebt zu werden, es würde Phoebe trösten.
    Mildred bedachte sie mit einem Blick, als wäre sie nicht sicher, um was für eine Art von Kreatur es sich bei Esther handle. Hoheitsvoll straffte sie den Rücken. »Ich habe immer nur das Beste für Phoebe gewollt«, sagte sie. »Was aber das Beste für Phoebe ist, entscheide ich, nicht du. Sie wird glücklich sein, das gelobe ich dir, und es gibt nichts, das ich nicht dafür täte.«
    »Nein«, murmelte Esther und senkte den Blick, »natürlich nicht.« Zu ihrer Erleichterung steckte Lydia den Kopf aus der Tür und rief, Esther solle rasch kommen, man räume Stühle und Tische für einen Rundtanz beiseite.
    Es war so schade, dass Phoebe den Rest des Festes nicht miterlebte, die Ausgelassenheit und das Gefühl, stark und jung zu sein und die Welt in den Armen zu halten. Schiere Lebenslust ergriff von Esther Besitz. Wo würde sie im nächsten Jahr um diese Zeit sein? Vielleicht bald schon auf dem Weg nach Kanada? Sie hatte das Geld für die Reise längst beisammen und auch schon den ersten Grundstock für ihren Lebensunterhalt. Horatio hatte einen Professor in Toronto aufgetan, dessen Familie ihr beim Einleben behilflich sein wollte. So sehr sie Lydia und ihre Schwestern vermissen würde, so sehr lockte die Erfüllung ihres Traums, die auf der anderen Seite des Weltmeers wartete.
    Unter den jungen Leuten, die durch die Räume tollten, waren nur zwei, die sich nicht amüsierten. Eine war die arme Chastity, die sich hinter Georgia versteckte, weil fremde Menschen ihr Angst machten, und die andere war ein blondes, kräftig gebautes Mädchen, das als Miss March vorgestellt wurde und sich scheu in der Nähe ihres Vaters und Bruders hielt. Als Mildred des Vaters ansichtig wurde, verließ sie schlagartig den Raum. Hätte Esther nicht gewusst, dass Mildred derlei Gefühle fremd waren, hätte sie geglaubt, sie ergreife in heller Angst die Flucht.
    Hatte der Vater bisher nur Augen für seine Tochter gehabt, so starrte er jetzt Mildred nach wie vom Donner gerührt. Das Mädchen sprach ihn an, doch er hörte es nicht, es ergriff seinen Arm, er jedoch sah nach der Tür, durch die Mildred verschwunden war, und schien nichts zu spüren. Er war ein sehr großer Mann mit kraftvollen Schultern, die sich gegen den förmlichen Anzug wehrten. Trotz des einschüchternden Baus strahlte er etwas aus, das Esther hilflos und seltsam berührend fand. Für den Rest des Abends blieb er tief in Gedanken versunken, und der Bruder übernahm seine Rolle als Beschützer des Mädchens, was einigermaßen komisch wirkte, da er sowohl kleiner und schmächtiger als auch jünger war als sie. Das Mädchen aber versuchte regelrecht sich hinter dem Jungen zu verkriechen. Esther nahm sich vor, Lydia zu fragen, wer die drei waren, doch später vergaß sie es.
    In der Nacht krochen alle vier Weaver-Schwestern zusammen in ein Bett. Zuerst stieg Esther zu Phoebe, die herzzerreißend weinte, dann begann Chastity zu weinen, so dass Esther sie dazuholte, und zu guter Letzt kletterte Georgia ans Fußende und brummte: »Wenn’s hier einen Volksauflauf gibt, will unsereins nicht Zaungast bleiben.«
    »Phoebe«, sagte Esther zärtlich, »es gibt doch

Weitere Kostenlose Bücher