Die Muschelsucher
quirlig wie früher. Und Sonnabend waren wir fast den ganzen Tag an den Klippen von Penjizal, und gestern morgen sind wir ganz brav zur Kirche gegangen.«
»Ein schöner Gottesdienst?«
»Sehr schön. Die alte Kirche war voller Blumen, und die Bänke waren voll von Leuten mit sonderbaren Kopfbedeckungen, und die Musik und der Gesang waren wunderbar. Leider predigte irgendein Bischof aus der Nähe, aber die Musik hat über die langweilige Predigt hinweggetröstet. Und am Ende eine Prozession mit allem Pomp, und wir standen alle auf und sangen ›Für all die Heiligen, die ruhen nun in dir‹. Als wir wieder im Hotel waren, sprachen Antonia und ich darüber, und wir kamen zu dem Schluß, daß es einer von unseren Lieblingschorälen ist.«
Olivia lachte. »O Mama! Das aus deinem Mund! Ich habe nicht mal gewußt, daß du einen Lieblingschoral hast.«
»Ganz so atheistisch bin ich denn doch nicht, Liebling. Ich bin nur von Natur aus ein bißchen skeptisch. Außerdem. Ostern ist immer besonders beunruhigend, wegen der Auferstehung und des Lebens nach dem Tode. Ich kann mich nie so ganz dazu durchringen, es zu glauben. Und obgleich ich Sophie und Papa unendlich gern wiedersehen würde, gibt es Dutzende von anderen Leuten, auf deren Anblick ich sehr gut verzichten kann. Und stell dir den Andrang vor! Wie bei einer riesigen und langweiligen Cocktailparty, wo man die ganze Zeit damit beschäftigt ist, die amüsanten Leute zu suchen, die man wirklich sehen möchte.«
»Und was ist mit den Muschelsuchern? Hast du sie gesehen?«
»O ja. Sie machen sich einmalig. Als ob sie nirgends anders hingehörten und von Anfang an dort gehangen hätten.«
»Du bereust nicht, daß du sie dem Museum geschenkt hast?«
»Keine Sekunde.«
»Was machst du gerade?«
»Ich habe eben gebadet und liege auf dem Bett und lese Fiesta, und ich telefoniere mit dir. Danach werde ich Noel und Nancy anrufen, und dann ziehe ich mich um zum Dinner. Es ist immer schrecklich fein und formell, und am Ende des Speisesaals klimpert jemand am Flügel. Wie im Savoy.«
»Das klingt sehr elegant. Was ziehst du an?«
»Den Kaftan. Er ist schon etwas fadenscheinig, aber wenn man die Augen halb zumacht, sieht man die Löcher nicht mehr.«
»Du wirst phantastisch aussehen. Wann kommt ihr nach Haus?«
»Mittwoch... Wir werden Mittwoch abend wieder in Podmore’s Thatch sein.«
»Ich ruf dich dort an.«
»Tu das, Liebling. Gott segne dich.«
»Auf Wiedersehen, Mama.«
Sie wählte Noels Nummer und wartete, lauschte dem Klingeln, aber niemand nahm ab. Er war wahrscheinlich noch irgendwo auf dem Land bei vornehmen oder zumindest wohlhabenden Leuten. Sie nahm wieder ab und rief Nancy an. »Altes Pfarrhaus.«
»George?«
»Ja.«
»Hier Penelope. Frohe Ostern!«
»Danke«, sagte George, erwiderte den Wunsch aber nicht. »Ist Nancy da?«
»Ja, sie ist irgendwo im Haus. Möchtest du sie sprechen?«
(»Warum sollte ich sonst anrufen, du Narr?«) »Ja, bitte, wenn es keine Umstände macht.«
»Einen Moment bitte, ich hole sie.«
Sie wartete. Es war ausgesprochen angenehm, entspannt, gemütlich und von dicken Kissen gestützt dazuliegen, aber Nancy brauchte so lange, um an den Apparat zu kommen, daß sie ungeduldig wurde. Was machte sie bloß? Um die Zeit zu überbrücken, griff sie wieder zu ihrem Buch und las einen oder zwei Absätze, bis sie endlich das »Hallo?« hörte.
Sie legte das Buch hin. »Nancy. Wo bist du denn gewesen? Am Ende des Gartens?«
»Nein.«
»Habt ihr ein schönes Osterfest verbracht?«
»Ja, danke.«
»Was habt ihr gemacht?«
»Oh, nichts Besonderes.«
»Hattet ihr Besuch?«
»Nein.«
Ihre Stimme war eisig. Das war Nancy von ihrer unangenehmsten Seite, wenn sie zutiefst beleidigt war. Was mochte nun wieder passiert sein? »Nancy, was ist los?«
»Warum sollte etwas los sein?«
»Ich habe keine Ahnung, aber du hast offensichtlich etwas.« Schweigen. »Nancy, ich finde, du solltest es mir besser sagen.«
»Ich bin nur. ein bißchen verletzt. Das ist alles.«
»Warum?«
»Warum? Du fragst, als ob du nicht genau wüßtest, warum.«
»Wenn ich es wüßte, würde ich nicht fragen.«
»Wärst du an meiner Stelle vielleicht nicht verletzt? Ich höre wochenlang nichts von dir. Nichts. Und wenn ich dann in Podmore’s Thatch anrufe, um dich und Antonia Ostern zum Essen einzuladen, stelle ich fest, daß du verreist bist. Daß du mit ihr und diesem Gärtner nach Cornwall gefahren bist, ohne George oder mir ein Wort davon zu
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