Die Nacht am See
habe ich, weil ich dachte, wir sollten …” Sie verstummte, denn er überzog ihre Hand mit kleinen Küssen. Und überall, wo seine glatten Lippen sie berührten, begann ihre Haut zu prickeln. Jocelyn vergaß, was sie hatte sagen wollen. Verflixt …
„Du meintest, wir sollten darüber reden?” Er ließ ihre Hand los. „Ich höre.”
Wie war es nur möglich, dass er sie zu einer stammelnden Närrin machen konnte, obwohl sie sich versprochen hatte, sie würde standhaft bleiben? „Ich weiß, ich habe gesagt, ich würde kündigen”, erklärte sie, „aber in Anbetracht dessen, was heute geschehen ist, und da Tess niemanden als Ersatz finden kann, denke ich, ich sollte noch ein wenig bleiben.”
Er befeuchtete seine wie zum Küssen geschaffenen Lippen mit der Zunge. „Aha, und vermutlich wirst du mir jetzt sagen, dass die Küsserei aufhören muss.”
„Genau”, erwiderte Jocelyn und wartete darauf, dass er protestierte.
„Einverstanden”, erklärte er.
Sie schüttelte verwundert den Kopf. Ihre Stimme verriet Belustigung. „Du gibst nach? Das glaube ich dir nicht.”
Er legte entrüstet die Hand auf die Brust. „Du vertraust mir nicht.”
„Ich traue dir, es ist nur … Na ja, bis jetzt warst du nicht unbedingt einsichtig, was diese Sache anging.”
„Das mag sein, aber ich habe nachgedacht, und nach dem Vorfall heute Abend sehe ich die Dinge ein wenig anders.”
„Anders? Inwiefern?”
„Mir ist klar geworden, dass, abgesehen von der Tatsache, dass ich dein Klient bin und du dich verantwortlich fühlst, du Angst hast, dich mit mir einzulassen, weil du mich nicht so gut kennst und fürchtest, ich sei der Playboy, für den du mich anfangs gehalten hast. Wenn wir mehr Zeit miteinander verbringen, kann ich dir vielleicht beweisen, dass du Unrecht hast.”
Dieser letzte Teil des Satzes erschütterte sie. Er gab etwas von sich preis. Eine gewisse Verletzlichkeit. Den Wunsch, einige seiner Fehler loszuwerden.
Erstaunlich fand sie, dass ihm bewusst war, dass er Fehler hatte.
„Du willst also artig sein?” meinte sie und versuchte so locker zu klingen wie vor ein paar Minuten, als alles noch ein wenig einfacher schien. „Du wirst nicht versuchen, mich in Versuchung zu führen?”
Er berührte sanft ihr Kinn. „Ich werde mein Bestes tun, natürlich immer in der Hoffnung, dass ich am Ende belohnt werde.”
„Mit einem Hundekuchen”, erwiderte sie scherzhaft.
„Nein.” Er ging zum Herd. „Mit deinem Herzen.”
Ein eine Art Panik, aber auch hoffnungsvolle Erwartung überkam Jocelyn. Mein Herz?
dachte sie und verfluchte sich dafür, dass dieser charmante Teufel sie mit einem kleinen Satz in helle Aufregung versetzen konnte.
Sie aßen bei Kerzenschein in dem großen Esszimmer und tranken alkoholfreien Preiselbeer-Cocktail aus kostbaren Kristallgläsern. Als sie ihre Mahlzeit beendet hatten, war es bereits nach zehn.
„Jetzt ist deine letzte Chance”, bemerkte Jocelyn, „deine Operation morgen früh abzusagen. Wir könnten hier bleiben, fernsehen und jedem Risiko aus dem Weg gehen.”
„Das würde ich gern, wenn ich könnte, aber es ist eine wichtige Operation, die nicht verschoben werden sollte.”
Sie nickte und half ihm, den Geschirrspüler einzuräumen. Kurz darauf gähnten sie beide.
„Wirst du schlafen können?” fragte sie.
Er ging mit ihr zu ihrem Schlafzimmer. „Ich bezweifle es.”
„Möchtest du noch ein bisschen aufbleiben? Wir könnten uns einen Film ansehen, wenn es dir hilft.”
„Nein, ich muss bereits um sechs Uhr im OP sein. Ich sollte zumindest versuchen, ein wenig Schlaf zu bekommen.”
„In Ordnung. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich bin hier, und denk daran, ich schlafe immer mit einem offenen Auge. Die Gegensprechanlage und das neue Alarmsystem sind an. Du kannst also ganz beruhigt sein.”
Er lehnte sich mit seiner breiten Schulter an den Türrahmen und schaute sie an. „Kann ich das?”
Der Blick aus seinen sinnlichen grünen Augen brachte Jocelyn dazu, innerlich zu zittern.
„Natürlich”, entgegnete sie, obwohl sie genau wusste, dass er auf eine ganz andere Gefahr anspielte.
Seine Stimme klang ruhig und gelassen, trotz all der Aufregung des Tages. „Ich bin sicher, du hast Recht.”
Trotzdem blieb er an ihrer Tür stehen und beobachtete sie voller Verlangen.
„Wieso stehst du immer noch hier herum?” fragte sie weich. „Denk daran, was du versprochen hast.”
„Ich habe nur versprochen, dass ich dich nicht küssen werde.
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