Die Nacht am Strand: Roman (German Edition)
Julie.«
»Inwiefern?«, fragt er, und sein Gesicht wird augenblicklich ernst.
»Können wir vielleicht einen Moment reden?«
»Natürlich.« Mr. Edwards weist sie zu der steinernen Bank.
Sydney setzt sich am einen Ende nieder, Mr. Edwards am anderen. Seine
Hände sind schmutzig, unter den Fingernägeln sitzt schwarze Erde.
»Ich möchte offen sprechen, ohne irgendjemanden in Schwierigkeiten zu
bringen.«
Mr. Edwards nickt bedächtig, den Blick aufmerksam auf ihr Gesicht gerichtet.
»Sie wissen es vielleicht nicht, aber Julie ist gestern Abend weggegangen.
Sie ist vom Tisch aufgestanden und verschwunden, ehe einer von uns fragen konnte,
wo sie hinwill. Gegen Viertel vor elf sind Jeff und ich losgefahren, um sie zu suchen.
Wir haben sie nicht gefunden, aber sie kam dann kurz vor Mitternacht von selbst
nach Hause.« Sydney macht eine Pause. »Sie war betrunken. Stark betrunken.« Sie
macht wieder eine Pause. »Gefährlich betrunken, muss ich wohl sagen.«
Mr. Edwards schließt die Augen.
»Sie wollte – oder konnte – uns nicht sagen, wo sie gewesen war«, fügt
Sydney hinzu. »Sie musste sich übergeben, und ich glaube, dabei hat sie den größten
Teil des Alkohols wieder von sich gegeben. Aber sie war in einem schlimmen Zustand.
Jeff, Ben und ich haben die ganze Nacht hindurch abwechselnd bei ihr gewacht.«
Mr. Edwards stößt einen langen Seufzer aus.
»Ich erzähle Ihnen das nicht, weil ich Julie Schwierigkeiten bereiten
will. Das möchte ich auf keinen Fall. Aber ich glaube, es muss jemand mit ihr reden
und ihr erklären, dass sie uns – Ihnen – in Zukunft Bescheid
geben muss, was sie vorhat.«
»Ja.«
»Ich weiß, dass sie…«
»Ja, Sie hatten völlig recht, sich Sorgen zu machen. Sie hat sich den
ganzen Sommer mehr oder weniger zurückgezogen. Ich habe es als einen wahren Segen
empfunden, als Sie kamen. Ich war sehr froh, dass sie jemanden hatte, mit dem sie
gern zusammen war. Es ist ja offensichtlich, wie sehr sie für Sie schwärmt.«
»Ja, auch ich –«
»Aber sie ist noch sehr unerfahren und weltfremd. Ich hätte wirklich
nicht geglaubt, dass wir uns jetzt schon in dieser Hinsicht zu sorgen brauchen,
aber das war natürlich idiotisch von mir. Sie ist achtzehn. Man muss sie ja nur
ansehen.«
Sydney breitet die Hände aus. »Ich mache mir Sorgen, weil ich den Eindruck
habe, dass sie sich leicht ausnutzen lässt«, sagt sie langsam.
»Ich spreche mit ihr«, sagt er.
Sydney vermerkt, dass er nicht sagt, Ich werde Anna
bitten, mit ihr zu sprechen .
»Kann sein, dass sie sich an nichts erinnert«, sagt Sydney. »Oder nur
an wenig.«
»Sie ist ein gutes Kind«, sagt Mr. Edwards, der plötzlich Mühe hat,
seine Gefühle in den Griff zu bekommen.
»Oh ja, das ist sie«, stimmt Sydney schnell zu.
Es folgt ein langes Schweigen, keiner sieht den anderen an. Sydney legt
die Hände in den Schoß und betrachtet die Rosen. Mr. Edwards scheint das Unterholz
zu mustern, das an das Grundstück stößt. Jetzt aufzustehen und den Mann sitzen zu
lassen geht nicht. Doch bei ihm sitzen zu bleiben ist eine Qual.
»Die Rosen sind wirklich schön«, sagt Sydney schließlich. Ihre Stimme
klingt dünn.
»Finden Sie?«
»Ja.«
»Ja, mit den Rosen ist das so«, beginnt Mr. Edwards, aber dann scheint
er zu vergessen, was er sagen wollte. »Mit den Rosen ist das so…«
»Eigentlich«, sagt Sydney, »wollte ich morgen mit Julie nach Portsmouth
fahren und Zeichenmaterial besorgen.«
Mr. Edwards sieht Sydney
fragend an.
Sie räuspert sich. »Ich habe da so eine Idee. Sie hat eine ausgeprägte
Begabung für, sagen wir, Raumaufteilung oder Komposition – ein besseres Wort fällt
mir nicht ein. Ich möchte ihr ein paar Zeichenstifte besorgen, vielleicht auch Farben.
Der Nachhilfeunterricht wird nicht darunter leiden. Ich möchte nur –«
Mr. Edwards wedelt mit der Hand, wie um zu bedeuten, dass sie sich wegen
der Nachhilfe keine Gedanken machen soll.
»Ich glaube, sie hat Talent in dieser Richtung«, fügt Sydney hinzu. »Nach
dem, was ich gehört habe, hat sie es geerbt.«
Mr. Edwards nickt und lächelt, aber seine Augen verraten Sydney, dass
er mit seinen Gedanken woanders ist. Er denkt immer noch darüber nach, was er seiner
Tochter sagen muss. Sie beneidet ihn nicht um diese Aufgabe.
»Wir haben keine Ahnung, wo sie war?«, fragt er.
»Nein. Sie war auf einer Party. Das ist alles, was ich aus ihr herausbekommen
konnte.«
Mr. Edwards atmet tief ein. Er sieht merklich älter aus als am
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