Die Nacht Hat Viele Augen -1-
nur Theater war, begann Seth sofort, automatisch eine umfassende Strategie zu entwickeln, um die Gebäude vor Lausch- und Überwachungsangriffen zu schützen.
Dies würde die leichteste Analyse werden, die er und sein Team je gemacht hatten, denn er wusste ganz genau, wo alle Wanzen saßen. Er würde jede Menge Beweise finden, um seinen Klienten zufriedenzustellen, noch eine ganze Menge weiterer Überwachungsgerätschaften installieren und dem Bastard einen Wucherpreis für seinen Service abnehmen. Es machte einfach Spaß.
Mit dem Vertrag finanzierte Lazar seinen eigenen Ruin. Seth gefiel das. Es entsprach seinem Sinn für Gerechtigkeit und löste gleich mehrere drängende Probleme auf einmal. Seit Jesses Tod hatte er einige Aspekte seines Geschäfts nicht mehr beachtet – besonders jene, die Geld brachten –, daher verbrauchte er gerade mit alarmierender Geschwindigkeit sein persönliches Vermögen.
Er war sein eigener schlimmster, nicht zahlender Kunde. Kearn und die anderen waren mit ihrer Weisheit am Ende. Aber dieser Deal würde die Ermittlungen wieder in Bewegung bringen – indem er Lazars Anlagen gegen seine eigenen Diebeszüge und Lauschangriffe schützte. Bei dem Gedanken, das Haus auf Stone Island nach Wanzen zu durchsuchen, lief ihm buchstäblich das Wasser im Mund zusammen. Gott, was für einen verheerenden Schaden er anrichten würde.
Er und die McClouds hatten bei diesen Lagerhausüberfällen großen Spaß gehabt, und noch mehr bei dem Einbruch in Lazars Stadthaus. Nachdem Seth erst mal das vorhandene Alarmsystem analysiert und sein eigenes Equipment in Stellung gebracht hatte, war es fast zu einfach gewesen. Mit Kearns und Leslies neuen hochempfindlichen Wärmebildbrillen konnten sie genau sehen, wo die Wachen lauerten. Das war zwar nicht besonders sportlich, aber hey, damit kam er klar. Es war auch nicht besonders fair gewesen, seinen kleinen Bruder abzuschlachten.
Sie bogen um die Ecke des vorderen Lagerhauses, wo die Limousine parkte. Raine krabbelte schnell vom Rücksitz, als sie sich näherten. Sie nahm die Brille ab und stopfte sie in ihre Handtasche. Ohne das Gestell auf der Nase sah sie völlig anders aus. Weich und mit leicht verschleiertem Blick. Sie hatte so heftig auf ihrer Unterlippe gekaut, dass sie rot und geschwollen war.
Als hätte sie jemand leidenschaftlich geküsst.
Lazar redete wieder. Seth musste sich zwingen, ihm seine Aufmerksamkeit zuzuwenden.
»… lange wird die Installation brauchen?«
Seth setzte sich Lazars Frage aus dem Kurzzeitgedächtnis zusammen und erinnerte sich gerade noch rechtzeitig daran, worum es eigentlich ging. »Ich muss Ihr existierendes Lagersystem analysieren und mir die anderen Standorte ansehen, bevor ich Ihnen das sagen kann.«
»Die anderen Lagerhäuser können Sie morgen Vormittag besichtigen, wenn es Ihnen passt«, erwiderte Lazar.
»Morgen Vormittag ist in Ordnung.«
»Gut. Bitte entschuldigen Sie mich jetzt, ich habe einen dringenden Termin in der Stadt«, erklärte Lazar. Er warf Raine einen Blick zu und grinste dabei in einer Weise, dass Seth dem älteren Mann am liebsten die Faust mitten ins Gesicht geschlagen hätte. »Raine, Mr Mackey ist neu in Seattle. Würden Sie so nett sein und ihm ein wenig die Stadt zeigen? Restaurants, Touristenattraktionen und so weiter?«
Raine riss die Augen auf und spielte die überraschte Unschuld wirklich gut. Das leichte Entsetzen, das sie dabei zeigte, machte es nur noch glaubwürdiger, dachte Seth. Und auch die Tatsache, dass sie errötete. »Ich? Oh, aber ich … Harriet wird mich erwarten …«
»Harriet versteht die Situation«, unterbrach Lazar sie. »Wir müssen uns um unseren Gast kümmern. Ich lege das in Ihre fähigen Hände.«
»Oh.« Ihr Blick flog zwischen den beiden Männern hin und her. Sie wirkte, als sitze sie in der Falle.
Lazar streckte Seth die Hand hin. »Ich bin sicher, Sie werden Ihre Freude mit ihr haben«, sagte er.
Wut kochte in ihm hoch, und er konnte sich gerade noch beherrschen, Lazars Hand nicht zu blutigem Brei zu zerquetschen. Er zwang sich zu einem höflichen Lächeln, und der andere Mann stieg in seine Limousine. Lazar hatte ihre Vorzüge also schon selbst genossen. Das hatte er unmissverständlich deutlich gemacht.
Seth nahm sich vor, es verdammt noch einmal zu verschmerzen. Sie war eine Professionelle, und etwas anderes hatte er von Anfang an ja auch nicht erwartet.
Raine sah der Limousine nach, die Unterlippe zwischen den Zähnen. Sie wirkte verwirrt,
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