Die Nacht Hat Viele Augen -1-
konnte sich aber nicht vom Fleck rühren. »Nach zwei Minuten mit dir liege ich bereits flach auf dem Rücken. Jedes Mal!«
Ein Grinsen breitete sich über sein Gesicht aus. »Ist das deine Art, mir zu sagen, dass du gern oben sein möchtest?«
Es war einfach zu viel. Man hatte sie den ganzen Tag herumgeschubst. Immer noch war sie voller Adrenalin, und dieser selbstzufriedene Ausdruck auf seinem Gesicht war einfach unerträglich. Der aufgebaute Druck in ihr brauchte ein Ventil, und schneller als sie denken konnte, holte sie aus und knallte ihm eine.
Verblüfft starrten sie einander an. Raine warf einen Blick auf ihre brennende Hand, als würde sie nicht zu ihr gehören. Seth packte ihr Handgelenk und hielt es über ihrem Kopf fest, ohne ein Wort zu sagen. Seine Augen funkelten vor unterdrückter Wut.
»Oh Gott«, flüsterte sie. »Ich wünschte, ich hätte das nicht getan.«
»Ich auch.« Seine Stimme war leise und bedrohlich. Er verlagerte sein Gewicht noch mehr auf sie und raubte ihr den Atem. »Das eine Mal schenke ich dir. Aber schlag mich nie, nie wieder ins Gesicht. Ist das klar?«
Sie leckte sich die trockenen Lippen und zerrte an ihrem gefangenen Handgelenk. »Seth, ich …«
»Ist das absolut klar?«
Sie nickte. Mehrere Sekunden verstrichen. Sie waren beide erstarrt, unbeweglich. Als würden sie darauf warten, dass eine Bombe explodierte.
Schließlich drückte Raine ihre andere Hand gegen seine Brust, um wieder Luft zu bekommen. »Du spielst schon wieder Machtspiele«, sagte sie. »Bitte lass das.«
»Es ist kein Spiel. Du zwingst mich dazu, Raine. Du testest mich, und ich stelle nur die Regeln auf.«
»Deine Regeln«, erwiderte sie.
»Das stimmt.« Sein Blick war unversöhnlich. »Meine Regeln.«
»Das ist nicht fair.«
»Was ist nicht fair? Du warst es doch, die die Grundregeln menschlichen Miteinanders befolgen wollte, oder nicht? Zivilisierte Menschen schlagen einander nicht. So einfach ist das. Oder gelten diese Regeln nur für mich und nicht für dich?«
»Du bist gerade in mein Haus eingebrochen, du manipulativer Bastard«, zischte sie. »Wag es nicht, mir die Worte im Mund umzudrehen! Und ich bin nicht die Einzige, die hier jemanden zu etwas zwingt. Du bist es, der mich bedrängt, du hörst nie auf. Bitte geh jetzt runter von mir. Sofort. Ich kann nicht atmen.«
Er rollte sich zur Seite und stützte seinen Kopf auf den Ellbogen. »Aber es macht dich an, wenn ich dich zwinge«, bemerkte er. »Ich spüre, was dich geil macht, und ich folge meinem Gefühl. Und auf die Art bringe ich dich dazu zu kommen. Ich dränge dich einfach dorthin, wo du hinmusst.«
Es war schwierig, die Gedanken in Worte zu fassen, während er sie anstarrte und ihr den Verstand raubte. »Aber es macht mich verrückt!«
»Ich liebe es, dich verrückt zu machen.« Er senkte seinen Kopf, um sie zu küssen.
Sie schubste ihn weg. »Ich meine, in einer sehr unangenehmen Weise verrückt. Ich habe noch nie in meinem Leben jemanden geschlagen, Seth! Ich tue absolut niemandem etwas zuleide – und du hast mich dazu gebracht, dir eine runterzuhauen!«
Er betrachtete sie eine Weile aufmerksam. »Das ist so ein Bullshit«, meinte er schließlich.
Verwirrt blinzelte sie ihn an.
»Jetzt guck mich nicht so unschuldig an. Dein ganzes seichtes Getue ist nur eine Maskerade. Ich durchschaue das. Ich kann direkt in dich hineinsehen, Raine.«
»Ach, kannst du das?« Sie wand sich unter ihm, unruhig. »Was siehst du denn?«
»Etwas Glänzendes. Schön und stark und wild. Es zerrt an mir, bereitet mir Schmerzen und lässt mich brennen. Am liebsten würde ich den Mond anheulen.«
Seine hitzigen Worte leckten an ihr wie Flammen. Ihr Körper entspannte sich mit einem letzten bebenden Seufzer, und sie ergab sich ihm und umschlang ihn, anschmiegsam und weich. »Dräng mich einfach nicht zu sehr«, flehte sie.
»Hör auf, dich zu widersetzen«, flüsterte er und knabberte an ihrem Hals. »Ich könnte dir so unglaubliche Dinge zeigen, wenn du dich nur einfach gehen lassen würdest. Lass mich die Führung übernehmen, Raine. Ich schwöre dir, ich weiß, wohin ich will.«
Sie stieß ein ersticktes, atemloses Lachen aus. »Wie soll ich dir vertrauen, wenn du mir nicht vertraust? Sieh uns doch an, Seth.« Sie deutete auf seinen Körper, der sie immer noch zu Boden drückte. »Ich wiege nur gerade mal vierundfünfzig Kilo und du …«
»Nein, du wiegst weniger. In deinem Kühlschrank gibt es nichts als Senf und ein paar runzelige Äpfel.
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