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Die Nacht in Issy

Die Nacht in Issy

Titel: Die Nacht in Issy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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mißtrauisch von der Seite an. »Das Treiben, meinen Sie? Ach nein, Monsieur, es brachte nicht viel ein.«
    Er schien mich tatsächlich nicht zu kennen. Das beruhigte mich.
    »Nein«, erklärte ich und zwinkerte mit den Augen, »das hab’ ich nicht gemeint. Na, Patisse — ich weiß Bescheid. Er hat mich beauftragt, Ihnen auch weiterhin jeden Monat fünfhundert Francs zu schicken — wir wissen ja, wofür, nicht? — Aber den Mund halten, Patisse! Auch weiterhin kein Wörtchen über diese Sache, verstanden?«
    Nun trat ein breites Grinsen in sein Gesicht.
    »Ha!« lachte er. »Er wußte, was ich ihm wert war! Freilich, ich werde weiter den Mund halten. Obwohl es nun niemand mehr schaden kann. Ich bin ja nicht vereidigt worden damals.«
    »Weiß ich, weiß ich«, sagte ich, »ich habe übrigens die nächsten fünfhundert gleich mitgebracht.«
    »Ah!« machte er, »das war sehr liebenswürdig von Ihnen, Monsieur!«
    »Das denke ich auch. — Schreiben Sie eine Quittung.« Ich holte einen Schein aus der Tasche. »Eine Quittung, Patisse!«
    »Ja, ja«, sagte er eifrig, »ich schreibe sie gleich im Haus. Kommen Sie mit hinein, Monsieur, und trinken Sie ein Gläschen mit mir. Ich hab’ einen ausgezeichneten Aprikot.«
    »Nein, danke, ich warte hier.«
    Er grinste wieder.
    »Verstehe, verstehe«, meinte er und ging ins Haus. Ich konnte es nicht lassen, ich rieb mir die Hände.
    Als er zurückkam, hatte er eine Quittung in der Hand. Ich prüfte sie genau, und dann gab ich ihm das Geld. Er verwahrte es mit einer hastigen Bewegung.
    Ich ging langsam zum Gartentor.
    Er folgte mir.
    Als ich im Tor stand, fragte er:
    »Und von wem bekomme ich das Geld künftig, Monsieur? Darf ich erfahren, wer Sie sind?«
    »Zur gegebenen Zeit werden Sie das schon erfahren, Patisse«, sagte ich und ließ ihn stehen. Ich hatte nun eine Quittung von ihm, mit dem heutigen Datum. Einen Tag nach Alexandres Tod. Wenn das kein Beweis war!
    Als ich den Omnibus in Melun verließ, war es dreiviertel zwei Uhr.
    Ich trat in die Wirtsstube des >Ankers< und wäre nicht überrascht gewesen, wenn sich hier zwei Herren von ihren Plätzen erhoben und mich verhaftet hätten. Aber von den paar Leuten, die hier ihren Kaffee tranken, schien es niemand auf mich abgesehen zu haben. Sie schauten zwar zu mir her, wie es in kleinen Ortschaften üblich ist, aber es war nur ihre natürliche Neugierde.
    Ich setzte mich so, daß ich durchs Fenster die Straße beobachten konnte, und bestellte eine Portion Kaffee und Kirschwasser.
    Und dann dachte ich nur noch an Germaine. Ich unterhielt mich in Gedanken mit ihr und legte mir zurecht, was ich ihr sagen wollte. Ich wollte ihr sagen, daß ihr Vater ein ganz elender Gauner war; und ich wollte ihr sagen, daß sie keinen Grund habe, um Alexandre zu trauern. Und ich wollte ihr sagen, daß ich morgen alle Akten in die Hände der Polizei spielen würde, um mir damit zum mindesten einen Teil meiner Verfolger vom Halse zu schaffen.
    Das alles wollte ich ihr sagen; zart natürlich, sehr behutsam, aber sie sollte Bescheid wissen.
    Zehn Minuten vor drei Uhr kam sie. Ich sah den Omnibus vorbeifahren, und dann sah ich sie über die Straße gehen. Als sich die Tür öffnete, klopfte mein Herz zum Zerspringen. Sie schien allein zu sein, und ich ließ meine Pistole los, die ich schußbereit in der Tasche gehalten hatte.
    Sie reichte mir die Hand.
    »Es war schrecklich dumm von mir«, sagte sie, »ich hatte kaum eingehängt, als es mir einfiel.«
    »Nicht schlimm«, sagte ich, »hat Sie jemand verfolgt?«
    Sie schaute mich hilflos an.
    »Gemerkt hab’ ich nichts«, sagte sie.
    Wir wählten unsere Plätze so, daß sie mit dem Rücken zum Raum, ich mit dem Blick zur Tür saß. Ich bestellte auch für sie Kaffee und Kirschwasser. Als sie den Kirsch in den schwarzen Kaffee schüttete, ging ein Teil davon daneben.
    Wir schauten uns an und wurden immer verlegener; es war sehr eigenartig.
    »Ihr Vater steckt nicht schlecht drin«, sagte ich.
    Ihr Gesicht veränderte sich mit einem Schlag. Sie wurde blaß und wich unwillkürlich ein wenig zurück.
    »Was wollen Sie damit sagen?« fragte sie steif.
    »Genau das«, sagte ich, »und weiter wollte ich noch sagen, daß ich die Akten habe, die Alexandre und Ihren Vater etwas angehen.«
    »Die haben Sie?«
    »Ja. Ich holte sie heute nacht. Sie brauchen keine Angst zu haben; bei mir sind sie sicher.«
    »Und — «, sie stockte, »und — wenn man Sie doch verhaftet?«
    »Wird man die Papiere nicht bei mir

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