Die Nadel.
seltsame Geräusche von sich zu geben. Das überraschte Faber keineswegs, denn dem
zwanzig Jahre alten Wagen wurde das Äußerste abverlangt.
Der Schauer hörte auf. Das
drohende Gewitter hatte sich nicht entladen, doch der Himmel sah weiter finster und bedrohlich
aus.
Eine halbe Stunde später erreichte Faber die Außenbezirke von Glasgow. Sobald er
sich bebautem Gelände näherte, bog er nördlich von der Hauptstraße ab und hoffte, so den
Stadtkern umfahren zu können. Er folgte einer Reihe von Nebenstraßen, überquerte die
Hauptverkehrsadern im Ostteil der Stadt, bis er auf der Cumberland Road herauskam, wo er
wieder nach Osten abbog und Glasgow bald hinter sich ließ.
Es war schneller gegangen, als er erwartet hatte. Seine Glückssträhne hielt an.
Er befand sich nun auf der A80 und kam an Fabriken, Bergwerken und Farmen vorbei. Die Ortsschilder flogen an ihm vorüber: Millerston, Stepps, Muirhead, Mollinsbum, Condorrat . . .
Das Glück verließ ihn zwischen Cumbernauld und Stirling.
Er beschleunigte auf einer leicht abschüssigen, geraden Strecke mit offenen Feldern zu beiden Seiten. Als die Tachonadel auf 45 stand, hörte er plötzlich ein lautes Geräusch vom Motor her; es klang wie das Rasseln einer schweren Kette, die über ein Zahnrad gezurrt wird. Er ging auf dreißig Meilen herunter, doch der Lärm war immer noch da. Ganz klar, irgendein großes und wichtiges Teil im Motor war nicht mehr in Ordnung. Entweder das Kugellager im Getriebe oder ein Loch in einer Leitung. Jedenfalls war es nichts so Simples wie ein verstopfter Vergaser oder eine verschmutzte Zündkerze. Der Schaden konnte nur in einer Werkstatt behoben werden.
Er hielt an und schaute unter die Motorhaube. Alles schien voller Öl zu sein, aber sonst konnte er nichts erkennen. Er setzte sich wieder hinter das Lenkrad und fuhr weiter. Der Motor zog weniger kräftig an, streikte aber noch nicht.
Nach drei Meilen strömte Dampf in Schwaden aus dem Kühler. Faber war klar, daß der Wagen bald ganz stehenbleiben würde. Wo konnte er das Auto unauffällig abstellen?
Faber fand einen Feldweg, der von der Hauptstraße weg vermutlich zu einer Farm führte. Hundert Meter von der Straße entfernt machte der Weg hinter einem Brombeerstrauch eine Biegung. Faber parkte den Wagen dicht bei dem Strauch und schaltete den Motor ab. Das Zischen des Dampfes ließ allmählich nach. Er stieg aus und schloß die Tür ab. Er verspürte leichtes Bedauern bei dem Gedanken an Emma und Jessie, die es sehr schwer haben würden, das Auto vor Beendigung des Krieges reparieren zu lassen.
Faber ging zurück zur Hauptstraße. Von dort aus war das Auto nicht zu sehen. Es mochte einen oder zwei Tage dauern, bisdas verlassene Fahrzeug Verdacht erweckte. Bis dahin, dachte Faber, bin ich vielleicht in Berlin.
Er marschierte los. Früher oder später würde er einen Ort erreichen, in dem er einen anderen Wagen stehlen konnte.
Bis jetzt war doch alles ganz gut gelaufen: Er hatte London vor weniger als vierundzwanzig Stunden verlassen und hatte noch einen ganzen Tag Zeit, bis das U-Boot morgen um 18 Uhr am Treffpunkt erschien.
Die Sonne war schon längst untergegangen, und nun wurde es plötzlich dunkel. Faber konnte kaum etwas sehen. Zum Glück war eine weiße Linie auf die Straßenmitte gezogen – eine Sicherheitsvorkehrung, die durch die Verdunklung erforderlich geworden war –, der er mit einiger Mühe folgen konnte. In der nächtlichen Stille würde er alle Autos lange im voraus hören.
Nur ein Wagen kam tatsächlich an ihm vorbei. Faber hörte dessen Motor in der Ferne und versteckte sich einige Meter von der Straße entfernt und stand erst wieder auf, als das Auto verschwunden war. Es war ein großer Wagen, wahrscheinlich ein Vauxhall Ten, der mit hoher Geschwindigkeit vorbeiraste. Faber stand auf und ging weiter. Zwanzig Minuten später sah er das Auto wieder; es parkte am Straßenrand. Er hätte einen Umweg über die Felder gemacht, wenn er es rechtzeitig bemerkt hätte, aber Scheinwerfer und Motor waren abgestellt, so daß er fast mit der Nase draufstieß.
Bevor er einen Entschluß fassen konnte, schien ihm der Strahl einer Taschenlampe von unterhalb der Kühlerhaube ins Gesicht, und eine Stimme sagte: »Hallo, ist da jemand?«
Faber trat ins Licht. »Schwierigkeiten?«
»Und ob.«
Der Lichtstrahl schwenkte nach unten. Als Faber näher kam, sah er im Widerschein des Lichts das Gesicht eines Mannes im mittleren Alter; er hatte einen
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