Die Nächte der Aphrodite
in ihr Bündel, um dem Drang zu widerstehen.
»Außer mir gibt es noch zwei Knechte und die Tagwerker, im Augenblick sind es elf.« Er stand auf und schob die Hände in die Taschen seiner Hose. »Wir sind nicht anspruchsvoll, allerdings würde ich es begrüßen, wenn Ihr nicht nur kochen, sondern auch das Haus in Ordnung halten würdet. Neben Kost und Quartier erhaltet Ihr selbstverständlich eine angemessene Bezahlung.«
Abschätzend musterte sie ihn. »Was ist der Pferdefuß an diesem Angebot?«
Er schob den Unterkiefer in einer fast trotzigen Bewegung vor und nagelte sie mit einem eisigen Blick fest, ehe er fortfuhr. »Ich vertrage keine Einmischung in mein Privatleben und meine Gewohnheiten. Daran ist Suzanne, die letzte Köchin, gescheitert.«
Elaine versuchte sich auf diese Andeutungen einen Reim zu machen und versagte kläglich. »Ich kann mit diesen Worten nichts anfangen.«
»Dann muss ich deutlich werden. Ich trinke für gewöhnlich mehr als mir gut tut. Ich unterhalte eine Beziehung zu einer verheirateten Frau, und ich besuche nicht den sonntäglichen Gottesdienst. Wenn Ihr damit leben könnt, ohne mir ständig Moralpredigten zu halten, dann biete ich Euch eine gute Stelle.«
Erleichterung breitete sich in Elaine aus. Nichts davon entsetzte sie. Alle Männer, die sie kannte, tranken und hurten. Sie gingen sonntags zwar trotzdem in die Kirche, aber unter diesem Aspekt fand sie die Einstellung ihres Schwagers wenigstens ehrlich.
Sie holte tief Luft und strich mit zitternder Hand das Haar aus ihrem Gesicht. »Ich kann mit Euren Bedingungen leben, aber die Frage ist, ob Ihr damit leben könnt, täglich dieses Gesicht zu sehen.«
Sie blickte ihn unverwandt an, damit ihr kein Detail seiner Reaktion entging. Zuerst war da Überraschung, dann Bestürzung, die langsam in Betroffenheit überging. Er öffnete den Mund und schloss ihn wieder, ohne etwas gesagt zu haben.
Bitterer Geschmack entfaltete sich auf Elaines Zunge, und sie presste die Lippen zusammen. Mit einer fahrigen Handbewegung zupfte sie die Haarsträhnen vor ihre zerstörte Gesichtshälfte und schalt sich eine Närrin. Was hatte sie erwartet?
»Wie ist das passiert?«, fragte er, ehe sie sich abwenden und zur Tür gehen konnte.
»Als Kind habe ich mich mit kochendem Wasser verbrüht.« Sie umfasste ihr Bündel fester. »Für gewöhnlich versuche ich, mein Haar so zu frisieren, dass niemand davon belästigt wird. Aber wenn ich für Euch und die Arbeiter kochen soll, brauche ich beide Augen und eine schnelle Reaktion. Deshalb muss ich mein Haar zurückbinden. Es erschien mir nur recht und billig, Euch von meiner Entstellung in Kenntnis zu setzen, damit Ihr Euer Angebot noch einmal überdenken könnt, ehe ich es wirklich in Erwägung ziehe.«
»Ihr müsst furchtbare Schmerzen erduldet haben.« Seine Stimme klang wieder einmal belegt, und langsam fragte sie sich, ob das nicht der Normalzustand war.
»Ich kann mich nicht mehr daran erinnern«, log sie mit einem Schulterzucken.
Er ging an ihr vorbei, und sie stählte sich gegen die halbherzigen Worte von Bedauern und Mitgefühl, die ebenso unausweichlich kommen mussten wie die schnelle Verabschiedung. Bei der Tür angekommen, blickte er sie über die Schulter hinweg an. »Ich zeige Euch Eure Kammer. Oder habt Ihr noch Hunger?«
Mit dem vor die Brust gepressten Bündel trat sie auf ihn zu. »Ihr wollt, dass ich hier bleibe?«, fragte sie ungläubig.
»Wie bereits erwähnt, brauche ich jemanden, der kocht und das Haus halbwegs in Schuss hält. Und mir nicht in die Quere kommt. Ihr habt gesagt, dass Ihr damit leben könnt.«
»Aber mein Gesicht ... Ihr habt es gesehen ...« Die Fassungslosigkeit, die sie empfand, spiegelte sich im Tonfall ihrer Stimme.
»Manche Menschen tragen ihre Narben im Gesicht, andere in ihrer Seele.« Er öffnete die Tür für sie.
»Mehr habt Ihr nicht dazu zu sagen?« Sie konnte noch immer nicht glauben, dass er ihr die Stelle tatsächlich weiterhin anbot.
»Nein, warum auch?«
Langsam ging sie an ihm vorbei und hörte, wie die Tür ins Schloss fiel. Sie hielt mit ihm Schritt und suchte nach Worten, die ihren Dank angemessen ausdrücken würden.
»Marie hat in der kurzen Zeit, die sie hier war, wirklich Wunder vollbracht. Leider merkt man nicht mehr allzu viel davon. Ich habe die Möbel im Haus verhüllen lassen, da ich nur mein Arbeitszimmer und meine Kammer zum Schlafen benütze. Aber es spricht nichts dagegen, den Salon wieder wohnlich zu machen, vielleicht
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