Die Nächte der Aphrodite
können wir dann ...« Er brach ab, als kämen ihm der Inhalt und die Ungeheuerlichkeit seiner Worte erst jetzt zu Bewusstsein. Aber natürlich würde er nicht mit der Köchin abends im Salon sitzen, nicht einmal dann, wenn diese Köchin kein entstelltes Gesicht besäße. Mit dieser Tatsache musste sie sich abfinden.
Ihr Schwager öffnete eine Tür. Mit schnellen Schritten ging er zum Fenster, öffnete sie und stieß die Holzläden auf. Rotgoldenes Licht flutete in den Raum und beleuchtete ein mit weißen Laken abgedecktes riesiges Himmelbett.
Während sie langsam näher trat, zog Troy die Tücher von Stühlen, Truhen und Kästen. Ein zierlicher Sekretär kam ebenso zum Vorschein wie ein großer Wandspiegel in einem kunstvoll geschwungenen, vergoldeten Rahmen. Ganz ohne Zweifel war es das Zimmer einer Frau.
»Ich hoffe, es gefällt Euch, Elaine.« Zum ersten Mal sprach er ihren Vornamen aus, gedehnt und sorgsam betont, als müsste er sich erst daran gewöhnen. »Es war das Zimmer Eurer Schwester.«
Er schien etwas hinzufügen zu wollen, schwieg aber dann doch. Das Zimmer war wunderschön, daran gab es nichts zu rütteln. Elaine fragte sich nur, ob sie tatsächlich im Zimmer von Marie untergebracht werden wollte. Erklären konnte sie ihr seltsames Gefühl nicht, aber als sie in das erwartungsvolle Gesicht ihres Schwagers sah, brachte sie es nicht übers Herz, ihre Gedanken laut auszusprechen.
Wie konnte sie sich überhaupt erdreisten, daran Kritik zu üben? In Trou-sur-Laynne hatten sie zu viert in einem Bett gelegen, das halb so breit und weder mit Kissen noch mit einer Rosshaarmatratze bestückt gewesen war.
Also legte sie ihr Bündel auf einen mit blauem Samt gepolsterten Stuhl. »Es ist wunderschön, vielen Dank.« Sie lächelte. »Wunderschön ist wohl nicht der passende Ausdruck. Ich habe noch nie in einem so großen Bett geschlafen.«
»In der Truhe findet Ihr Laken und Überzüge für die Kissen. Soll ich Euch zur Hand gehen?«
Sie sah ihn an und bemühte sich, ein ausdrucksloses Gesicht zu machen. Der Chevalier de Rossac erbot sich ihr, seiner zukünftigen Köchin und Haushälterin, zu helfen, die Kissen zu beziehen.
»Vielen Dank, aber das schaffe ich selbst.« Zum Beweis ihrer Worte zog sie das weiße Tuch vom Himmelbett und faltete es zusammen, um es dann auf den Boden zu legen.
Ihr Schwager hatte eine der Truhen geöffnet. Elaine trat näher. Stapel feiner Bettwäsche, zwischen denen zahlreiche bestickte Säckchen mit Rosmarin und Lavendel lagen. Der aromatische Duft breitete sich aus, und Elaine atmete tief ein, ehe sie sich bückte, um Bezüge und Laken zu nehmen.
Sie legte alles aufs Bett und strich unbewusst das Haar hinters Ohr, da sie die Anwesenheit ihres Schwagers völlig vergessen hatte.
»Hier sind die Kleider, die Marie nicht mitnehmen konnte.« Seine Stimme ließ sie herumfahren. Troy stand neben einer anderen Truhe. »Ihr könnt Euch gerne bedienen, falls die Gewänder nicht zu kurz sind. Ihr seid größer als Marie.«
Ohne daran zu denken, dass sie ihm ihr nacktes Gesicht präsentierte, und zwar die versehrte Seite, ging sie zu der Truhe. Seide und Brokat in allen Regenbogenfarben, Bänder und Spitzen begannen sich vor ihren ungläubigen Augen in einem bunten Wirbel zu drehen. »Ich ... soll das tragen?«, stammelte sie und blickte ihn an.
Er nickte, und erst in diesem Moment fiel ihr auf, dass er ihre Entstellung aus nächster Nähe sehen konnte. Hastig senkte sie den Kopf und strich ihr Haar ins Gesicht. Dann bückte sie sich und griff nach dem obersten Kleid. Die grüne Seide raschelte leise, als sie es ausschüttelte und hochhob.
Sie hielt es vor sich und trat zum Spiegel. Schweigend betrachtete sie sich. Sich selbst darin vorzustellen war ein Ding der Unmöglichkeit. Und wann sollte sie es tragen? Wenn sie vor dem Herd stand und Brot buk? Wenn sie die Böden fegte?
Sie ging zur Truhe zurück und legte das Gewand wieder hinein. »Danke«, sagte sie höflich. »Ich werde mich bei Bedarf davon bedienen.«
Sie hoffte, dass diese Antwort ihn nicht verärgerte. Aber er konnte doch nicht ernsthaft erwarten, dass sie morgen früh in einem spitzenverzierten Seidenkleid die Küche betrat.
»Dann wünsche ich Euch eine gute Nacht, Elaine.«
Sie zögerte, aber dann legte sie ihre Hände ineinander und blickte ihn fest an. Vielleicht beging sie einen Fehler, vielleicht erwartete er, dass sie ihn weiterhin Monsieur de Rossac nannte, aber sie war hierher gekommen als seine
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