Die Nächte der Aphrodite
zierlichen Tischchen stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Wenn ich es tue, gehst du dann mit mir nach La Mimosa zurück?«
Sie betrachtete ihre schmucklosen Finger. Dann hob sie den Kopf. »Nein.«
»Warum sollte ich demnach auf deinen Vorschlag eingehen?«, knirschte er. Die Wut, die in ihm wegen ihres unverfrorenen Ansinnens kochte, legte einen roten Schleier vor sein Blickfeld.
»Weil ich möchte, dass du mich als mich selbst siehst. Nicht als Maries Schwester, und schon gar nicht als ... Marie. In den Nächten der Aphrodite bin ich die Zeremonienmeisterin der Lust, ein völlig eigenständiges Wesen. Aber ein Teil davon ist in mir, in Elaine. Sonst könnte ich diese Rolle nicht spielen, sonst würde sie mir keinen Spaß machen. Wenn du diesen Teil von mir siehst und annehmen kannst, dann beweist es mir, dass deine Entschuldigung mehr ist als leere Worte. Dann wird es mir vielleicht möglich sein, sie zu akzeptieren und dir zu vergeben. Und deshalb bist du ja gekommen«, fügte sie kalt hinzu.
Er war gekommen, um sie nach La Mimosa zu holen. Um dieses Mal alles richtig zu machen, weil ... weil ... Sogar in Gedanken weigerte er sich, den Satz mit den Worten zu vollenden, die ihm sein Herz zuflüsterte. Stattdessen ergänzte er ihn mit dem Vorwand, der ihn nach Belletoile gebracht hatte - Elaine aus Henris Fängen zu befreien.
»Du sagst, dass du mir vielleicht vergeben wirst. Vielleicht.« Er lachte bitter auf. »Was soll das sein? Ein Krümel, nach dem ich gierig schnappen soll?«
Elaine seufzte. »Ein Angebot, das ich dir mache. Nichts weiter. Du hast mich glauben lassen, dass du meine Vergebung wünschst, ich habe dir meine Bedingungen dafür genannt. Sie anzunehmen, steht dir natürlich frei.« Sie griff nach der Porzellantasse und hob sie an die Lippen.
Natürlich stand es ihm frei, ihr den Rücken zu kehren, und heimzureiten nach La Mimosa, wo ihn außer Einsamkeit nur schmerzende Erinnerungen erwarteten. Damit allerdings würde er alle Chancen einbüßen, Elaine jemals wiederzusehen. Wenn er jedoch blieb, dann könnte er die Zeit nutzen, um sein Ziel zu erreichen. Um sein Spiel zu spielen. Wenn er es geschickt genug anstellte, dann würde er Elaines Entschluss ins Wanken bringen. Dieser Gedanke löschte seine weißglühende Wut.
»Was genau willst du von mir? Was soll ich in den Or ... in den Nächten der Aphrodite tun?«, fragte er wesentlich ruhiger und setzte sich in einen Lehnsessel.
»Du bist ein Teil jener Gäste, mit denen ich meine Tableaus in Szene setze, kein bloßer Zuschauer. Das bedeutet, dass du alles tust, was ich dir auftrage.«
»Was du mir befiehlst. Ich soll also dein Sklave sein.«
Er wartete auf ihren halbherzigen Protest, aber sie lächelte nur wie ein Kätzchen am Sahnetopf. »Wenn es sein muss, auch das.«
Da sollte sie noch einmal behaupten, dass sie nicht an Rache und Vergeltung dachte. Von wegen Ungleichgewicht. Sie wollte ihn bezahlen lassen.
Seine Finger krampften sich um die Armstützen. »Wie lange?«
»So lange ich es will.«
Er betrachtete sie mit finsterer Miene. Eine noch nie zuvor gespürte Kraft strahlte von ihr aus wie Sonnenlicht. Sie trug ihr Haar hochgesteckt und mit bunten Blüten geschmückt. Ihr Gesicht drückte gelassene Zuversicht aus. Da war nichts mehr übrig von dem scheuen Mädchen, das auf der Schwelle von La Mimosa nach Marie gefragt hatte und sich dabei verlegen die Haarsträhnen ins Gesicht strich. Heute erwiderte sie seinen Blick frei und unbekümmert. Jeder Zoll ihrer Erscheinung war eine selbstsichere Grande Dame. Wie konnte sie sich in der kurzen Zeit nur so verändert haben? Dann erinnerte er sich an ihre Worte von vorhin. Vielleicht hatte sie sich gar nicht verändert, vielleicht war nur ein Teil von ihr zum Leben erwacht, der vorher keinen Platz gehabt hatte, sich zu entfalten.
Er atmete tief durch. In seinen Ohren summte es so laut, dass er seine Worte nicht hörte. »Ich bin einverstanden.«
»Sehr schön.« Ihre Stimme klang für ihn verzerrt, und er fuhr sich mit den Fingern in den Kragen, um die plötzliche Enge zu bekämpfen.
»Heute Abend dann ...«
Elaine schüttelte den Kopf. »Nein, die nächste Nacht der Aphrodite ist erst übermorgen. Du kannst dich also in aller Ruhe ein wenig erholen. Der Park ist wunderschön, du solltest dir wirklich Zeit nehmen, ihn zu erkunden.« Sie lächelte ihn ausgesprochen freundlich an.
Die jähe Luftknappheit war vorbei. Er konnte wieder klar denken. »Überspanne meine
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