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Die Narbe

Die Narbe

Titel: Die Narbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schmitter
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fuhr mit der Hand durch das ungekämmte Haar. »Eifersüchtig? Nicht direkt. Ich habe ihm jedenfalls keinen Anlass dazu gegeben. Glauben Sie, wir würden das alles gemeinsam durchstehen, wenn wir uns nicht lieben würden? Volker hat ihn ja auch gekannt. Manchmal hat Alexander bei uns ferngesehen. Da war mein Lebensgefährte ganz normal zu ihm, freundlich eben, wie er zu jedem ist. Obwohl sie sich natürlich nicht so viel zu sagen hatten. Ein paar Worte über Fußball, aber das war auch schon alles, was sie wirklich verband. In der Kneipe neulich … Er hatte was getrunken. Es ging gar nicht um Alexander. Es ging um einen idiotischen halb besoffenen Tresenhocker, der irgendwie von meinem Job erfahren hat und Volker angemacht hat, ob ich nicht auch mal für besondere Freunde die Wohnungstür öffnen würde. So was in der Art, Sie wissen schon.«
    »Frau Kattowitz, wo war Volker Pollinger am Montagabend der letzten Woche?«
    »Hier. Habe ich doch gesagt. Wir haben ferngesehen.«
    »Bei unserem ersten Gespräch«, sagte Gerald, »haben Sie nur von Ihrer Tochter gesprochen.«
    »Ich weiß. Aber ich habe nicht gelogen. Ich habe das nur verschwiegen. Ich wollte Volker aus der Sache raushalten. Er weiß doch nicht mehr, wie es weitergeht und ob er wegen der Prügelei seinen Job verliert. Es ist ja leider nicht das erste Mal gewesen. Das müssen Sie doch verstehen, dass ich ihn da raushalten wollte. Ich habe nicht gewusst, dass Sie noch einmal kommen würden. Ich habe gedacht, Sie stellen Ihre Fragen zu Alexander und gehen dann wieder.«
    »Können Sie bezeugen, dass Volker Pollinger diese Wohnung in der fraglichen Zeit nicht verlassen hat? Haben Sie vielleicht mal geduscht? Den Abwasch erledigt? Sich mit Ihrer Tochter beschäftigt? Es braucht nicht viel Zeit, um ein Stockwerk nach oben zu gehen, Frau Kattowitz.«
    Sie schloss die Augen. »Er war immer mit mir zusammen, in jeder einzelnen Minute«, sagte sie mit müder Stimme. Es sollte sicher überzeugend klingen, aber es klang so, als versuchte sie, sich selbst davon zu überzeugen.
    »Wir werden ein Protokoll anfertigen, das Sie unterschreiben müssen, bei uns im Präsidium. Ich gebe Ihnen telefonisch Bescheid. Es kann auch sein, dass Sie Ihre Aussage vor Gericht werden beeiden müssen. Ich muss Sie nicht über die Konsequenzen einer Falschaussage unter Eid aufklären, oder?«
    Batzko erhob sich. Es gehörte zu seiner Strategie, mit einem Szenario dieser Art das Gespräch zu beenden. Marleen Kattowitz blieb zunächst mit geschlossenen Augen sitzen. Dann stand auch sie auf und ging barfuß voraus in den Flur, als wäre ihre Kraft für ein Gespräch verbraucht. Ihre massigen, nackten Unterschenkel wirkten auf Gerald noch schwerer und ungelenker.
    »Was ist eigentlich mit dem Vater Ihrer Tochter?«, fragte er neugierig, während sie die Wohnungstür öffnete.
    Wieder lachte sie auf, ein seltsam hohes, verzweifeltes Lachen. »Als ich nach der Entbindung aus dem Krankenhaus kam, war er nicht mehr da. Einfach weg. Mit all seinen Sachen. Mit seinem Geld und mit meinem Geld und meinem Schmuck. Ich konnte nicht einmal das Taxi bezahlen, mit dem ich gekommen war. Ich habe nie mehr etwas von ihm gehört.«
    Aus dem Wohnzimmer drangen leise und zugleich fordernde Klopfgeräusche.

10
    Im Treppenhaus hörte Gerald ein merkwürdiges Geräusch, das aus dem Stockwerk darüber kam. Ein hoher, sirrender Ton, der entsteht, wenn Glas oder Porzellan heftig angestoßen wird.
    »Das könnte in der Wohnung von Alexander Faden sein«, sagte er.
    Batzko und er stiegen die Treppe hoch. Tatsächlich war die Tür zu Alexanders Apartment halb geöffnet. Am Treppengeländer lehnten mehrere gefaltete Umzugskartons, aus der Wohnung drang ein Geruch von Reinigungsmitteln. Wieder erklangen diese hohen Töne, die Gerald nun dem Badezimmer zuordnen konnte. Er erinnerte sich: Da stand dieses Regal aus Glas mit zahlreichen Schalen, in denen kleine Steine und Sand lagen, vermutlich Mitbringsel von diversen Urlauben, und ein Sortiment aus Shampoos, Rasierwasser etc.
    Gerald klopfte an die Wohnungstür. Die Geräusche aus dem Badezimmer hörten abrupt auf, gleichzeitig waren Schritte, langsame, schlurfende Schritte, aus dem Wohnraum zu hören. Dann wurde die Tür geöffnet. Vor den Kommissaren stand ein vielleicht sechzigjähriger, recht klein gewachsener Mann. Er hatte weiße, nach hinten gekämmte Haare, die über den Kragen seines Hemdes fielen. Er war nicht rasiert, die weißen Stoppeln schimmerten im

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