Die Narben der Hoelle
kommen sollte. Einerseits hätte er nur zu gern den zweiten Panzerwagen eingesetzt, um den gekidnappten Kameraden zur Hilfe zu eilen, andererseits hatte er dafür zu sorgen, dass der Verwundete geborgen wurde und seine Männer hier heil herauskamen.
Er hatte keine Wahl.
»An alle von Jupiter Führer! Jupiter Eins zieht bis an die Feuerstelle vor, dann MG-Dauerfeuer auf die Häuser. Dabei birgt Jupiter Zwei den Verwundeten unter Feuerschutz.«
Er sah, dass der DINGO langsam anrollte.
»Gib Gummi, Mann«, rief Johannes in sein Helmmikrofon.
Der Panzerwagen machte einen Satz nach vorn, preschte zwischen den ersten Hütten hindurch und stoppte neben dem Verletzten, der sich vor Schmerzen im Staub wälzte.
Das MG 3 begann zu rattern. Sofort spritzten große Lehmbrocken von den verfallenen Hütten ab, in denen sich die Taliban verschanzt hatten.
Doch niemand schoss mehr zurück.
»Jetzt los, holt den Verletzten da weg und nichts wie ab in den Wagen!«, befahl Johannes.
Der Feldwebel rief seinen Leuten etwas zu. Zwei von ihnen rannten geduckt zur immer noch qualmenden Feuerstelle, packten ihren Kameraden unter den Achseln und schleiften ihn neben das gepanzerte Fahrzeug. Einer öffnete die hintere Tür.
Johannes musste brüllen, um den Lärm des MGs zu übertönen: »An alle Jupiter! Sofort zurück! Dabei weiter auf die Hütten schießen und aufsitzen!«
Es dauerte nur eine Minute, dann sah er den letzten seiner Männer im DINGO verschwinden. Er machte einen Satz aus seiner Deckung, hörte aber nicht auf, weiter auf die Lehmhütten zu schießen, bis er auch in den Kampfwagen sprang.
Hinter ihm wurde die Tür zugeschlagen. »Der Sani kümmert sich nur um den Verwundeten! MG: Weiter Feuer auf die Hütten, auch noch, während wir wegfahren! Und jetzt los, rüber zum anderen DINGO, aber schnell!«
Der Fahrer gab Gas und drehte das schwere Fahrzeug herum. Während sie sich entfernten, hielt der MG-Schütze mit Feuerstößen die Taliban in ihrer Deckung, auch wenn er bei dem Höllentempo, mit dem der Panzerwagen über das Gelände raste, nur noch in die grobe Richtung zielen konnte.
»Sani, wie steht’s mit Ihrem Patienten?«, fragte Johannes
»Durchschuss Unterschenkel links. Hat viel Blut verloren. Blutung fast gestoppt. Schock, natürlich, aber das Bein bleibt wohl dran!«
Verliert dieser Kerl eigentlich nie die Nerven?, fragte sich Johannes. Solche Leute wie diesen Hauptgefreiten, der zusätzlich als Rettungssanitäter ausgebildet war, konnte man mit keiner Einsatzzulage je angemessen bezahlen.
Der DINGO stoppte. Johannes stieß die Dachluke auf und sah den anderen Wagen in fünfzig Meter Abstand verlassen im Gelände stehen. Durch sein Fernglas erkannte er in einem halben Kilometer Entfernung eine Gruppe von Männern in Kaftanen, die mit umgehängten Gewehren über die freie Ebene rannten. Sie hatten die beiden deutschen Soldaten zwischen sich und stießen sie mit Gewehrkolben vorwärts.
Der MG-Schütze drehte sich zu ihm um und fragte zögernd: »Wollen wir denn nicht hinterher, Herr Hauptmann? Wir müssen doch … , ich meine … «
»Was glauben Sie wohl, was die Entführer mit unseren Jungs machen, wenn sie sehen, dass wir näher kommen?«
Der Soldat schwieg und senkte die Augen.
Über Funk sagte Johannes: »Das Fahrzeug auf versteckte Ladungen und Beschädigungen überprüfen! Wir fahren inzwischen weiter und verfolgen die Entführer. Aber unbedingt Abstand halten! Sie dürfen sich nicht von uns bedroht fühlen. Ich will nur sehen, was weiter passiert.«
Der Feldwebel verließ mit drei Männern den Panzerwagen.
»Los jetzt!«, befahl Johannes seinem Fahrer, und im nächsten Moment setzte sich der schwere Wagen wieder in Bewegung.
Verdammt, er war ihnen auf den Leim gegangen.
Eine perfekte Falle. Mit ihrem plötzlichen Feuerüberfall hatten die Taliban in den Häusern die volle Aufmerksamkeit auf sich gezogen, so dass ihre Kumpane unbemerkt an den DIN-GO heranpirschen konnten. Dann hatten sie erst den Mann am MG überwältigt, danach den Fahrer.
Schnell und professionell.
Der Fahrer hatte wahrscheinlich nicht einmal bemerkt, dass sein Kamerad gekidnappt wurde. Als er selbst an der Reihe war, konnte er gerade noch seine verzweifelten Worte über den Funk schicken.
Johannes schüttelte den Kopf. Dass sie inzwischen über solche ausgefeilten Techniken im Nahkampf verfügten, war neu für ihn.
So hatte er sie noch nie erlebt …
Die Lehmhütten mit der Rauchsäule waren längst außer
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