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Die Narben der Hoelle

Die Narben der Hoelle

Titel: Die Narben der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. Dieter Neumann
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einer Hand daran hochzuziehen.
    Immer wieder rutschte die Hand ab.
    So ging das nicht. Nach einem kurzen Blick zum Niedergang langte er über sich und legte die Pistole auf den Tisch. Dann packte er die Platte mit beiden Händen und zog sich langsam auf die Füße.
    Beidhändig auf den Tisch gestützt, blieb er einen Moment lang wankend stehen und atmete tief durch. Immer noch war von oben Geschrei zu hören, immer noch rieb sich der Stahl des Motorseglers mit einem lauten Kratzen an der Außenhaut der Kunststoffyacht.
    Er musste unbedingt nach oben, solange sie mit der Bergung des Verletzten beschäftigt waren!
    Also nahm er die Pistole wieder in die Hand, hielt sich an der Schlingerleiste fest und bewegte sich langsam zur Treppe.
    Mühsam quälte er sich die Stufen hinauf.
    Plötzlich wurde es dunkel.
    Erst jetzt fiel ihm auf, dass der Suchscheinwerfer von drüben die einzige Lichtquelle für den Niedergang gewesen war. Unten im Salon leuchtete noch die Stablampe vor sich hin, aber deren Schein reichte nicht bis hierher.
    Sie hatten den Scheinwerfer ausgeschaltet.
    Keine Frage, sie wollten sich absetzen! Die schwere Maschine des Zweimasters brüllte auf.
    Er erreichte stöhnend die oberste Treppenstufe, stützte sich an der Sprayhood ab und sah vorsichtig daran vorbei in die Richtung des Motorengeräusches. Die meisten Wolken hatten sich wieder vom Nachthimmel verzogen. Ein fast voller Mond beleuchtete die Bucht.
    Scharf blies der Wind über das bewegte Wasser.
    Johannes sank auf die Cockpitbank.
    Der Motorsegler fuhr rückwärts von der Yacht weg. Als er etwa fünfzig Meter entfernt war, wurde mit brutaler Gewalt der Vorwärtsgang eingelegt, und das Getriebe schaltete mit lautem Krachen um. Sofort wurde der Motor wieder auf höchste Drehzahl getrieben, und das Schiff drehte nach Süden ab. Die aufgewühlte Hecksee war im Mondschein gut zu erkennen. Ein kleines Schlauchboot tanzte darin hin und her.
    Mit diesem Boot waren sie wohl an Bord gelangt.
    Und hatten allzu leichtes Spiel gehabt. In seinem gemütlichen Deckshaus hatte der englische Skipper wohl gerade nichts ahnend die Flasche und die Gläser für Johannes’ Besuch bereitgestellt …
    Er schauderte, aber das hatte nichts mit dem kühlen Nachtwind zu tun, der inzwischen vom offenen Meer heftig in die Bucht hineinblies. Ohnmächtige Wut schüttelte ihn, ließ ihn fast seine Schmerzen vergessen.
    Da drüben fuhren seine Verfolger in die Nacht hinaus.
    Illusionen darüber, von welcher Sorte sie waren, machte er sich keine. Warum auch immer sie ihn töten wollten, eines jedenfalls war sicher: Das waren gedungene Verbrecher.
    Kaltblütige, professionelle Mörder.
    Egal, von wem sie ihren Auftrag hatten: Sie hatten ihn noch nicht erfüllt. Johannes war sich absolut sicher, dass sie wiederkommen würden, und zwar bald.
    Und bestimmt mit Verstärkung.
    Nach ein paar Minuten passierte der Motorsegler die Engstelle zwischen dem Festland und der Insel. Im hellen Mondlicht waren seine Umrisse gut zu erkennen. Hinter der Landzunge am südlichen Ausgang der Bucht verschwand er schließlich außer Sicht und nahm Kurs auf die offene See. Kurz danach verklang auch das tiefe Motorgeräusch.
    Friedlich wurde es dennoch nicht in der Mandelbucht. Der Wind jaulte schaurig um die Akgül und pfiff gespenstisch in ihren Wanten.
    Fröstelnd lauschte Johannes in die Nacht. Ein vertrautes Geräusch fehlte: Die Zikaden schwiegen heute Nacht.

16
April
Afghanistan
    Oberst Jamal zündete sich eine Zigarette an.
    Sein ganzer Körper bebte vor freudiger Erregung.
    Er war in seinem Element.
    Hier oben, hoch über allem stehend, kommandierte er die dreißig handverlesenen Kämpfer in der Ebene unter ihm.
    Sein persönlicher Befehlsstand, einige hundert Meter hoch in der Felswand, verborgen zwischen Felsen und hinter Tarnnetzen.
    Der Adler blickte aus dem Himmel herab auf seine Beute.
    Ein mächtiges altes Funkgerät russischer Bauart stand auf einem Klapptisch, zwei schwere Autobatterien darunter. Die lange Antenne war so montiert, dass sie vom Tal aus nicht entdeckt werden konnte. Am Rande des Felsens stand ein Stativ mit einem darauf montierten Fernrohr.
    Der Hinterhalt dort unten war sorgfältig vorbereitet worden, obwohl nur wenig Zeit zur Verfügung stand. Erst in der vorletzten Nacht hatte der Sprachmittler Hedayat sich gemeldet. Er hatte herausbekommen, welche Route die Patrouille heute nehmen würde.
    Die verlassene Siedlung – dass die Deutschen genau diesen Weg für ihre Fahrzeuge

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