Die Narben der Hoelle
doch von diesem Bericht betroffen, da muss ich doch … «
»Was müssen Sie?«, unterbrach ihn der MAD-Oberst. »Gar nichts müssen Sie! Es ist alles geklärt. Steht alles im Bericht: Sie trifft keine Schuld. Das wurde offiziell festgestellt. Seien Sie doch froh! Und vergessen Sie den Bericht einfach! Am besten, Sie vergessen die ganze Geschichte!«
Wilde Wut stieg in Johannes auf. Schon immer hatte er gegen diese militärischen Geheimdienstler tiefes Misstrauen gehegt. Mehr als einmal hatte er erlebt, dass anständige Soldaten voreilig vom MAD abserviert und zu Sicherheitsrisiken erklärt wurden.
Wie fragwürdig die Methoden dieser Verdachtschöpfer waren, hatte man nach dem Tod eines der hochrangigsten Offiziere aus ihren eigenen Reihen gesehen: Da fand man nämlich heraus, dass der zweite Mann im MAD jahrelang völlig unbehelligt als Spion für die Staatsicherheit der ehemaligen DDR gearbeitet hatte …
»Herr Oberst«, sagte Johannes, »ich bestehe darauf, wenigstens diesen Auszug zu behalten!«
Plastikanzug sah ihn abschätzig an. »Und ich sage Ihnen: Sie nehmen sich zu wichtig, Herr Hauptmann! Es geht hier nicht um Sie! Sie sind schließlich rehabilitiert, das können Sie doch selbst lesen!«
»Um was geht es denn dann? Warum können Sie mir als Betroffenem diesen Bericht eigentlich nicht geben?«
»Das wissen Sie doch«, erwiderte Heidebrandt aufgebracht. »Man hat Ihnen vor Ihrer Abreise nach Afghanistan in Potsdam klar gesagt, dass die gemeinsamen Einsätze … « Er unterbrach sich und fuhr hastig fort: »Nun, es besteht keine Veranlassung, Ihnen gegenüber die Entscheidungen Ihrer Vorgesetzten zu erläutern. Lesen Sie den Bericht, sooft Sie wollen. Dann nehme ich ihn wieder mit!« Damit stand er auf und schaute angestrengt aus dem Fenster.
In das unangenehme Schweigen hinein hörte sich Johannes plötzlich sagen: »Ich werde mich mit einem Rechtsanwalt beraten, ob Ihr Vorgehen einer juristischen Überprüfung standhält, Herr Oberst.«
Der wirbelte mit einem vernehmlichen Polyesterknistern herum, starrte ihn entgeistert an und sagte bedrohlich leise: »Was fällt Ihnen ein, Herr Hauptmann? Sie sind Offizier! Ich habe Ihnen vorhin schon gesagt, Sie nehmen sich zu wichtig! Hier stehen andere Interessen auf dem Spiel als Ihr persönliches Wohlbefinden!«
»Ist mir klar, Herr Oberst!«, konnte Johannes nicht mehr an sich halten. »Andere Interessen, schon klar! Sie und … was weiß ich, wer sonst noch, wollen unter der Decke halten, dass wir einen riskanten Kampfeinsatz zusammen mit den Amerikanern durchgeführt haben! Die Öffentlichkeit in diesem Land darf das nicht erfahren. Weil es gegen alles verstößt, was unsere Regierung so erzählt.«
Johannes wunderte sich über sich selbst, aber nun gab es kein Zurück mehr. »Bei der Gelegenheit:«, sagte er dem fassungslosen Geheimdienstoberst, »Mir drängt sich auch die Frage auf, ob der Verteidigungsausschuss überhaupt weiß, was wir da unten gemacht haben. Oder ob das ein militärisches Experiment war, von dem nicht nur das Volk, sondern auch seine gewählten Repräsentanten nichts wissen sollen.« Damit lehnte er sich in seinem Stuhl zurück.
Die Kopfschmerzen waren jetzt fast unerträglich. Er wünschte sich nach langer Zeit erstmals wieder auf seinen Wellenteppich.
Oberst Heidebrandt setzte sich ihm gegenüber an den Tisch und sah ihn ernst an. »Ganz schlecht, was Sie sich da zusammenreimen, ganz schlecht. Das alles geht Sie gar nichts an. Sie haben keine Schuld an … «
Johannes sprang auf, wobei ihm ein paar Blitze durch den Kopf fuhren. Er brachte es fertig, seine Erregung zu zügeln und Plastikanzug fest in die Augen zu blicken. »Ich verlange, dass ich innerhalb einer Woche den kompletten Untersuchungsbericht erhalte oder wenigstens alle Passagen daraus, die mich betreffen. Sie können alles andere schwärzen lassen; die Namen und die Orte kenne ich sowieso. Aber dieses Papier will ich haben, sonst … «
Der Oberst hob die Hand und rief: »Stopp! Sie haben überhaupt nichts zu verlangen! Und drohen Sie mir gefälligst nicht!« Damit nahm er die Blätter vom Tisch, sprang auf und schritt zur Tür.
Johannes murmelte halblaut: »Sie wissen doch, dass ich irre bin, Herr Oberst?«
Der blieb stehen und drehte sich zu ihm um. Verblüfft sah er ihn an und fragte: »Was soll das denn nun wieder heißen?«
»Nun, wie Sie wissen, bin ich derzeit dienstunfähig geschrieben. Unter anderem wegen ,Psychischer Labilität’. So ein
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