Die Nonne mit dem Schwert (German Edition)
seinen Kolonien vorbehalten hat. Und hier, sieh nur!« Tao Te Chen zeigte auf das Arenal, den Strand, der sich zwischen der Stadtmauer und dem linken Ufer des Guadalquivirs erstreckte: Berge von Kisten und Fässern türmten sich dort am Ufer.
»Das alles muss noch bis nächste Woche verladen werden! Dabei helfen die kleine Segelboote, Schaluppen, Feluken und Tartanen, die du hier siehst. Sie bringen die Waren zu den großen Schiffen. Und wenn alles beladen ist, kommen die Angestellten der Casa de Contratación, lassen sich die Ladeliste vorlegen und kontrollieren die Übereinstimmung mit der Ladung. Und als Letzte durchstöbern die Kommissare der Inquisition die Schiffe, um sich davon zu überzeugen, dass keine vom heiligen Offizium verbotenen Bücher mitgeführt werden.«
Die Erwähnung der heiligen Inquisition ließ Catalina erschauern. Tao Te Chen entging das nicht. Er schüttelte den Kopf. »Du kannst dich nicht dein ganzes Leben lang verstecken! Irgendwann werden auch andere hinter dein Geheimnis kommen.«
Catalina hob trotzig den Kopf. »Ich werde schon auf mich aufpassen!«
»So wie neulich mit Giuseppe?«
Im gleichen Moment legte das Schiff an, und der augenblicklich ausbrechende Tumult unter der Mannschaft enthob Catalina einer Antwort. Sie sah, wie zwei Matrosen zum Kai hinübersprangen, das Schiff vertäuten und Antonio eine Planke zum Kai hinüberschob.
»Zeit zum Abschiednehmen!« Tao Te Chen nahm ihre Hand und drückte sie kurz an sein Herz. Da trat der Erste Offizier zu ihnen. Catalina erschrak. Sollte sie zum Abschied noch einmal seine Peitsche zu spüren bekommen? Doch seine Augen blickten ausnahmsweise einmal hell und freundlich in die Welt. Er schlug Catalina auf die Schulter.
»Hast dich gar nicht so schlecht gemacht für ein Landei«, brummte er. »Wenn du wieder mal Seeluft schnuppern willst, kannst du dich gern bei mir melden!«
Bevor sich Catalina von ihrer Verblüffung erholt hatte, drückte er ihr auch noch ein paar Münzen in die Hand. Catalina sah auf die Münzen, zeigte sie Tao Te Chen und brachte ihren Mund nicht wieder zu. Und je länger sie die Münzen in ihrer Hand spürte und je öfter sie in Gedanken die Worte des Ersten Offiziers wiederholte, desto strahlender wurden ihre Augen.
Entsetzt schüttelte Tao Te Chen den Kopf. »Jetzt fang nicht schon wieder damit an! Die Überfahrt nach Panama dauert Wochen, und du weißt, was dir blüht, wenn einer der Männer hinter dein Geheimnis kommt. Zum Donner noch eins! Ich hoffe, wenigstens dein Mikel hat Verstand genug, um dich von solchen Verrücktheiten abzubringen.«
Catalina hörte ihm gar nicht zu. Sie vergrub die Münzen tief in ihren Hosentaschen, umarmte Tao Te Chen kurz und lief von Deck.
»Wundere dich nicht, wenn wir uns bald wiedersehen!«, rief sie ihm vom Kai aus zu und verschwand in dem Gewirr von Menschen und Waren.
Catalina hoffte, in dem Viertel der Basken etwas über Mikel herauszufinden, und fragte den erstbesten Passanten nach dem Weg.
Er schickte sie durch die Alcaicería, das reiche Geschäftsviertel Sevillas, dessen bunte Vielfalt an die ferne Heimat all jener Schiffe erinnerte, die jahraus, jahrein den Guadalquivir hinauffuhren. Noch nie hatte Catalina eine solche Anhäufung von Silberschmieden, Bildhauern, Juwelieren, Seiden- und Leinwandhändlern gesehen, und es wunderte sie wenig, als sie dem Gespräch zweier Händler an einer Straßenecke entnahm, dass der ungeheure Reichtum der Geschäfte hier der Aufsicht eines eigenen Alcalden und einer ganzen Kompanie von Wächtern unterstellt war. Sie blieb stehen, lauschte dem Gespräch weiter und erfuhr, dass die Tore des Viertels nachts verriegelt und mit engmaschigen Patrouillen für seine Sicherheit gesorgt wurde.
Ein paar Straßenzüge weiter kam Catalina durch die Calle de Francos, in der sich die Händler angesiedelt hatten, die sich auf Kristallarbeiten, Schmuck, Schminke und Parfüms spezialisiert hatten, während sich in der Calle de Castro und in der Calle Sierpes die Schreiner, Tischler, Schmiede, Waffenschmiede und Sticker ausgebreitet hatten. Auch die pompösen Paläste der großen, reichen Familien, die sich zuhauf in Sevilla niedergelassen hatten, beeindruckten Catalina. War dies womöglich ein Vorgeschmack auf das, was sie in Peru erwartete?
Die wichtigste Bevölkerungsschicht Sevillas aber waren die bürgerlichen Geschäftsleute, die dank ihres Unternehmergeists in dem umfangreichen Seehandel ein Vermögen verdient hatten und diesen Reichtum
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