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Die Pension am Deich: Frauenroman

Die Pension am Deich: Frauenroman

Titel: Die Pension am Deich: Frauenroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Hunold-Reime
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warmen Sonnentönen gehalten. Aber so richtig wohl fühlt sie sich dort immer noch nicht. Sie geht in die Küche. Ein paar Häppchen schmieren und dann ab vor die Glotze. Als sie sich eine Scheibe Käse abschneidet, fällt ihr ein, wen sie vergessen hat: Die Maus ohne Fahrausweis. Mist, um die muss sie sich dringend kümmern. Sie kann schlecht warten, bis sie sie dem Geruch nach findet.
    Tomke schiebt das Brot in die Lade zurück und maschiert in die Garage. Hier muss irgendwo eine Mausefalle herumliegen. So eine, die einen kleinen Käfig hat, um das Tierchen lebend zu fangen. Die haben sie auf Julianes Wunsch hin angeschafft. Da war sie zehn Jahre alt. Sie hatte einen Riesenaufstand gemacht, als sie die erste Maus mit Genickbruch neben dem angeknabberten Stück Käse gefunden hatte. Ihre Eltern als Tiermörder beschimpft und auf einem Begräbnis im Garten bestanden. Um sie zu beruhigen und nicht einen Mäusefriedhof zu eröffnen, kauften sie eine sogenannte Lebendfalle.
    Tomke stöbert durch die Kisten. Was für ein Schrott überall. Das war Geralds Bereich und er hat jeden Faden aufgehoben. Hier müsste wirklich einmal aufräumt werden. Wo ist bloß diese blöde Falle? Sie hatten lange keine Maus mehr. Die Katzen in der Nachbarschaft sind tüchtig. Und nun gleich eine im Auto. Nur gut, dass Frau Wilkens nichts gemerkt hat. Die wollte ihr sogar beim Suchen helfen. Wenn die gewusst hätte, nach wem sie Ausschau gehalten hat. Tomke muss ein wenig in sich hineingrinsen. Man gut so. Die hat so schon genug Last mit ihrer allergischen Rüsselpest und muss nicht zusätzlich geschockt werden.
    Getreu Murphys Gesetz, findet Tomke die Falle in der untersten Kiste. Gerald hat auch die ganz normalen aufgehoben. Aber die zu benutzen, bringt Tomke nicht mehr übers Herz. Entschlossen zerrt sie die mit dem Käfig hervor.
    Sie eilt in die Küche zurück und kreiert ein appetitliches Minibüfett. Ein Stückchen Brot dick mit Schokoladencreme beschmiert, eins mit Salami und eins mit Käse. Dieses Spezial-Arrangement stellt sie mit Käfigfalle im Fußraum vor dem Beifahrersitz ab.
    »Hör zu Maus, hier ist was für jede Geschmacksrichtung. Sieh zu und lass dich fangen. Das ist deine einzige Chance auf Freiheit. Sonst verhungerst du. Alles klar?«
    Sie bleibt noch einen Augenblick stehen, als erwarte sie wenigstens ein höfliches Piep als Antwort. Dann schließt sie die Wagentür. Unwillkürlich wandert ihr Blick über die Fensterreihe in der ersten Etage. Alles dunkel. Gut so. Muss ja niemand beobachten.
    Wieder im Haus, macht sie sich selbst einen Schnittchenteller und setzt sich damit vor den Fernseher. Sie schaltet die Sender durch, aber keiner weckt ihr Interesse. Entweder wilde Schießereien, chaotische Verfolgungsszenen oder stereotyp dargestellte Beischlafstellungen, bei denen man ins Gähnen kommt. Tomke schnappt sich die Tageszeitung. Sie hätte Lust auf einen netten Film, den sie kennt und lange nicht mehr gesehen hat. Während sie die Programme nach einem Lichtblick durchforstet, läuft im Werbeblock ein Spot über Beerdigungen. Tomke kneift ihre Augen zusammen, als müsste sie eine visuelle Täuschung ausschließen. Aber tatsächlich. Die werben gerade für individuell gestaltete Grabstätten. Erst wird eine Szene mit dem angeblich Verstorbenen eingeblendet. In diesem Fall einem passionierten Angler. Dann sein Grab mit einem idyllisch angelegten kleinen Teich. Botschaft: Bestattet werden, wie man gelebt hat. Eine Wohlfühlbestattung. Fast wie nicht gestorben. Tomke schüttelt missbilligend den Kopf. Für was man alles Reklame machen kann.
    Die Haustür wird aufgeschlossen. Das Flurlicht geht an. Die Habermanns kommen nach Hause. Sie lachen. Die waren lange unterwegs. Hoffentlich bekommt sie von denen kein Bettgeflüster zu hören. Wie gut, dass sie nicht nur neue Matratzen gekauft hat, sondern auch auf die Qualität der Lattenroste geachtet hat. Schon wieder so blöde Gedankengänge. Dazu neigt sie sonst überhaupt nicht. Was interessiert es sie, ob ihre Gäste Sex haben oder nicht. Darüber hat sie nie nachgedacht. Selbst nicht zu Geralds Zeiten, der sie in der Hinsicht nicht gerade verwöhnt hat. Aber da gab es Lösungen und irgendwann Paul.
    Sofort schießen Tomke Tränen in die Augen. Scheiße, nein. Sie wird nicht heulen. Aus. Vorbei. Paul hat sich entschieden. Und wenn er es sich noch einmal anders überlegt und es vor Sehnsucht nach dir nicht aushält, fragt in ihr eine fiese, scheinheilige Stimme. Wenn er seinen

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