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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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gelbe Sonnenschirm hat mich ruiniert.«
    Maisie redete ihr gut zu. Nach und nach rückte Rose mit der ganzen Geschichte heraus. Sie war typisch. Der Mann war Polsterer von Beruf, ein angesehener, gutsituierter Handwerker. Er hatte Rose den Hof gemacht und mit ihr schon über die Hochzeit gesprochen. An warmen Abenden, nach Einbruch der Dunkelheit, hatten sie im Park, umgeben von anderen schmusenden Paaren, erste Zärtlichkeiten ausgetauscht. Gelegenheiten, miteinander zu schlafen, gab es wenige - aber vier- oder fünfmal, wenn ihre Herrin verreist oder seine Vermieterin betrunken war, hatte es schließlich doch geklappt. Dann hatte er seinen Arbeitsplatz verloren und war auf der Suche nach einer neuen Anstellung in eine andere Stadt gezogen. Rose erhielt noch einen oder zwei Briefe von ihm, dann verschwand er aus ihrem Leben. Und auf einmal merkte sie, daß sie schwanger war.
    »Wir werden versuchen, Kontakt mit ihm aufzunehmen«, sagte Maisie.
    »Ich glaube, er liebt mich nicht mehr.«
    »Warten wir's ab.« Überraschend viele Männer fanden sich schließlich doch bereit, ihr Mädchen zu heiraten. Selbst jene, die von der Schwangerschaft erfahren und sich gerade deshalb aus dem Staub gemacht hatten, bereuten mitunter ihre panische Reaktion. In Roses Fall standen die Chancen nicht schlecht. Der Mann hatte die Stadt nicht verlassen, weil er Rose nicht mehr liebte, sondern weil er seine Arbeit verloren hatte. Maisie versuchte immer, die Männer zu einem Besuch bei Mutter und Kind in der Klinik zu bewegen. Der Anblick des hilflosen Säuglings von ihrem eigenen Fleisch und Blut brachte mitunter die besten Saiten in ihnen zum Klingen.
    Rose zuckte zusammen, und Maisie fragte. »Was ist?«
    »Mein Rücken tut weh. Das muß vom vielen Laufen kommen.« Maisie lächelte. »Das sind keine normalen Rückenschmerzen, Rose. Ihr Baby meldet sich an. Kommen Sie, wir suchen Ihnen ein Bett.«
    Sie begleitete Rose in die erste Etage und entließ sie in die Obhut einer Krankenschwester. »Es wird schon alles gut«, sagte sie. »Bald halten Sie ein hübsches, gesundes Baby im Arm.«
    In einem anderen Krankenzimmer trat sie ans Bett einer Frau, die sie alle nur unter dem Namen »Miss Nobody« kannten. Die Schwangere war nicht bereit, ihre persönlichen Daten preiszugeben, nicht einmal ihren Namen. Sie war ein dunkelhaariges Mädchen von ungefähr achtzehn Jahren. Ihr Akzent verriet, daß sie aus der Oberschicht stammte, und ihre Unterwäsche war entsprechend teuer. Maisie war sich ziemlich sicher, daß sie Jüdin war. »Wie geht es Ihnen, meine Gute?« erkundigte sie sich. »Danke, gut - und ich bin Ihnen so dankbar, Mrs. Greenbourne.« Welten trennten diese Frau von Rose - und doch befanden sich die beiden in der gleichen Notlage und würden in Kürze blutend und unter Schmerzen ein Kind gebären.
    Maisie kehrte in ihr Büro zurück und setzte sich wieder an einen Leserbrief, der an den Herausgeber der Times gerichtet war.
     
     
    T HE F E M ALE H OSPITAL
    Bridge Street Southwark London, S.E.
    den 10. September 1890
     
    An den Herausgeber der Times
     
    Sehr geehrter Herr,
     
    mit Interesse las ich den Leser b rief von Dr. Charles Wickam zum
    Thema »Die körperliche Unterlegen h eit der Fra u «.
     
    Sie hatte den Brief liegen gelassen, weil sie noch nicht genau wußte, wie sie ihn fortsetzen sollte. Doch inzwischen hatte Rose Porter sie auf eine Idee gebracht.
     
    Ich habe in unserem Krankenhaus soeben eine junge Frau in anderen Umständen aufgenommen, die den Weg von Bath hierher zu Fuß zurück g elegt h a t.
     
    Die Worte »in anderen Umständen« würde die Redaktion vermutlich für vulgär halten und streichen. Maisie war jedoch nicht bereit, die Zensur vorwegzunehmen.
     
    Mir f ä llt a uf, daß Dr. Wickam aus dem Cowes Club schrei b t, weshalb sich mir die Frage aufdrängt, wie viele Mitglieder dieses Clubs wohl in der Lage wären, zu Fuß von Bath nach London zu gehen?
    Weil ich eine Frau b i n, habe ich den Club na t ürlich nie betreten. Was mir i n dessen sch o n des öfter e n auffi e l, waren Clubmitglieder, die auf den Stufen vor dem Eingang eine Droschke herbeiriefen und dem Kutscher Fahrtziele in nicht m ehr (oft weniger) als einer Meile Entfernung angaben. Ich muß sagen, daß die meisten dieser Herrschaften durchaus den Eindruck erwecken, als kä m en sie in arge Verle g enheit, we n n sie die St r ecke vom Piccadilly Ci r cus zum Parliament Square zu Fuß zurücklegen müßten. Eine Zwölf Stundenschicht in

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