Die Pferde vom Friesenhof 02 - Wilde Jagd am Meer
und begrüßte die Frauen liebenswürdig. »Ich möchte Sie warnen«, sagte sie und deutete unbestimmt über den Strand. »Ich wohne hier und kenne mich mit dem Meer aus. Bald ist Hochwasser, dann laufen die Salzwiesen voll. Sie kommen dann nicht mehr zurück auf den Deich - oder nur klitschnass.«
Der alte Trick klappte. Wie von Wespen gestochen schossen die Frauen hoch und rafften ihre Sachen zusammen. Eilig machten sie sich auf den Rückweg. Ihre offenen Jacken warfen flatternde Schatten über den Holzsteg.
»Danke für die Warnung!«, riefen sie Lea zu, die bescheiden den Kopf abwandte. Die Rolle »gut erzogenes
Mädchen« beherrschte sie, wenn es sein musste. Sie beobachtete, wie die Frauen den Deich überquerten und den Weg nach St. Peter-Ording einschlugen. Auf der anderen Seite erkannte Lea ihre Eltern. Gut, dass sie nichts von der Aktion mitbekommen hatten, sonst hätte sie Ärger bekommen.
Sie winkte die anderen heran. Die Gruppe sah aus wie eine Sportmannschaft. Aus Sicherheitsgründen hatte Klara Baseballkappen in Weiß, Rot und Blau verteilt. Wenn die Haare unter Kappen verschwanden, fiel Charlotte weniger auf.
Die Mädchen liefen in die warme, sandige Senke. Lachend und kreischend schubsten sie sich gegenseitig auf die Bänke, zogen sich wieder herunter und wechselten die Plätze. Sie quiekten und schrien, dass sogar die Rufe der Austernfischer und das Geschrei der Möwen, die auf den Wiesen Futter suchten, übertönt wurden.
Nach und nach kehrte Ruhe ein. Die Sonne tauchte den Geheimplatz in warmes Licht. Gespannte Stille lag nun über der Sandkuhle.
Auf den Bänken drängten sich die Mädchen nebeneinander. Erwartungsvoll sahen sie Lea und Klara an, die vor ihnen im Schneidersitz im Sand saßen. Seewind strich durch die Blätter der Heckenrosen und säuselte über ihren Köpfen.
Klara sicherte nach rechts und links, dann verlangte sie: »Ihr müsst euer Friesen-Ehrenwort geben, dass ihr keiner Menschenseele ein Wort von dem verratet, was ihr jetzt hört.« Aufgeregtes Gemurmel kam von den Bänken. Klara nahm ihre rechte Hand hoch: »Schwört bei Magic und Luna.«
Feierlich machten alle Mädchen es ihr nach und sagten: »Ich schwöre es. Bei Magic und Luna.«
Jetzt ergriff Lea das Wort. »Was ich euch verrate, ist streng vertraulich.«
Vanessa kicherte nervös. Vorwurfsvoll stieß Amber sie in die Seite.
Lea blieb ernst. »Nein, wirklich, das ist kein Kinderspiel. Es ist gefährlich. Richtig gefährlich. Wir wissen aber keinen anderen Ausweg, als euch alle einzuweihen. Ich mache es kurz: Sophie ...«, sie legte den Arm um Charlotte, die bei Beginn der Rede von der Bank in den Sand gerutscht war, »... heißt in Wirklichkeit Charlotte Lech und ist die Tochter der Schauspielerin Isabel Lech. Wie es im >Star-Magazin< stand. Charlotte soll entführt werden. Darum ist sie unter falschem Namen bei uns. Was sagt ihr nun?«
Ungläubig starrten die Mädchen Charlotte an, die mit gesenktem Blick in der Sandkuhle hockte.
Lea fuhr fort, in knapper Form die Geschichte von dem Erpresser in München zu erzählen, von Charlottes Leibwächter und davon, dass bisher nur ihre Eltern in das Versteckspiel einweiht waren.
»Tut mir Leid«, sagte Charlotte leise und zog ihre blaue Baseballkappe tief in die Stirn. »Ich kann nichts dafür, dass meine Mutter so berühmt ist. Mann, ich würde was
dafür geben, wenn sie ... Eis verkaufen würde wie Grit Sörensen im Kiosk am Deich.«
Vanessa sprang auf und riss begeistert die Arme hoch. »Ich habe es gewusst, ich habe es doch gewusst«, schrie sie außer sich, »dass du Charlotte Lech bist!« Sie starrte Charlotte an wie ein Wesen von einem anderen Stern. »Willst du wohl still sein!«, fuhr Lea sie an.
Vanessa ließ sich wieder auf die Bank plumpsen. »Entschuldigung. Aber ich finde es so gut, dass ich es gewusst habe.«
Dann erzählte Lea von dem Horrorüberfall in der Sattelkammer und von dem Mann, der morgens im Stall aufgetaucht war.
Wieder sprang Vanessa auf. Bevor sie losbrüllen konnte, hielt Amber ihr die Hand vor den Mund.
»Ich wollte doch nur sagen«, quetschte Vanessa zwischen Ambers Fingern hervor, »was ich bemerkt habe. Magic mochte den Mann nicht. Er ist rückwärts gegangen. Das war der Original-Magic-Test.«
Lea lachte über Vanessas Stimme. »Es war super, Vanessa, wie schnell du geschaltet hast. Übrigens, wir glauben, dass der Typ noch mal versuchen wird, Charlotte zu kriegen«, schloss Lea. »Jeder muss aufpassen wie ein Luchs, wenn
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