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Die Ponyapotheke

Die Ponyapotheke

Titel: Die Ponyapotheke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa-Marie Blum
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meinen Aufsatz vorzulesen. Ich wurde puterrot. Ich wünschte, der Hausmeister möchte kommen: Wasserrohrbruch! Die Klassen müssen geräumt werden, oder hitzefrei! Obwohl das Unsinn war. Es regnete draußen und war herbstlich kühl. Außerdem gehen solche Wünsche nur in Büchern in Erfüllung. Die Wirklichkeit ist anders. Die Wirklichkeit heißt aushalten. Die Stimme unserer Lehrerin ertragen, die sich so merkwürdig verändert, wenn sie vorliest, und das Gekicher in der Klasse.
    Immer lacht jemand, wenn etwas von mir vorgelesen wird. Und ich tue so, als ginge es mich gar nichts an. Es ärgert mich doch! Und am meisten ärgere ich mich über mich selber. Warum kann ich nicht so schreiben wie Marlies, oder Hugo, oder Elke? Immer ist Fräulein Richardson mit ihren Aufsätzen zufrieden. Bei mir ist sie es nur halb und halb. Ich habe selber Schuld. Warum schreibe ich auch alles so, wie ich denke?
    Fredegunde neben mir stieß mich an. Ich stieß zurück. Ich sah sie nicht an, blickte starr geradeaus. Saß da, in meinem neuen roten Kleid mit dem Lackgürtel, und es half gar nichts. Sonst hilft ein neues Kleid schon ziemlich viel. Diesmal nicht.
    Ich wußte, Fräulein Richardson las den Aufsatz bestimmt nicht vor, weil sie ihn wundervoll fand. Sicher hatte ich wieder etwas falsch gemacht. Warum blätterte sie, blickte wieder hoch? Hatte sie mich gefragt? Oder Fredegunde? Warum heißt sie nur so und nicht Gundel?
    »Petra!«
    Ich mußte aufstehen.
    »Ich habe dich etwas gefragt, warum antwortest du nicht?«
    »Weil es klopft«, rief der lange Hugo.
    Es klopfte noch einmal. Und bevor Fräulein Richardson »Herein« rufen konnte, wurde die Klinke niedergedrückt.
    >Der Hausmeister!< dachte ich befreit.
    Es war nicht der Hausmeister. Freundlich lächelnd über sein rundes Gesicht erschien der Junge von der Ponyapotheke in der offenen Tür.
    Vor Schreck setzte ich mich wieder hin. Gab es Gespenster?
    »Guten Morgen, ich gehöre zu Ihnen«, er blickte Fräulein Richardson erwartungsvoll an.
    »Zu mir?« fragte sie verwirrt.
    »Der Direktor hat mir Ihren Namen genannt. Fräulein Richardson, es steht draußen an der Tür. Das hier ist doch die 5b?«
    »Ach ja, ach ja«, hastig schlug unsere Lehrerin ihr kleines Notizbuch auf, »der neue Schüler, ich dachte, du kommst erst morgen. Wie heißt du noch?«
    »Fridolin, Eduard, Adolar, Johannes Konitz.«
    »Wie bitte?«
    »Fridolin, Edu...«
    »Ja, ja, schon gut. Also Fridolin, du sitzt neben Gerhard, ja, dort, die linke Seite, am dritten Tisch hinter Petra Jons.«
    Er nickte, ging an seinen Platz und sagte im Vorbeigehen zu mir: »Guten Morgen.«
    Ich antwortete nicht.
    »Wieso kennst du ihn?« tuschelte Fredegunde.
    »Ruhe!« Fräulein Richardson nahm wieder mein Heft zur Hand. »Ich lese also jetzt Petras Aufsatz vor, noch einmal von vorn.«
    Und sie begann.
    Meine Hoffnung, das Vorlesen würde ausfallen, ging nicht in Erfüllung. Ich mußte mit anhören, was ich aufgeschrieben hatte. Die Stimme von Fräulein Richardson brauste an meinen Ohren vorbei. Ich saß und starrte vor mich hin und rührte mich nicht, bis es zu Ende war.
    »Die Regennacht ist ja ganz hübsch geschildert, Petra. Aber ein Pferd, das >Danke< sagt, habe ich noch nie erlebt. Was sind das nur für kindliche Gedanken? Soviel müßtest du doch in der Biologiestunde gelernt haben, daß das unmöglich ist. Und wo läßt du eigentlich die Kommas? Und was meinst du mit blauen Wiesen? Dachtest du an Vergißmeinnicht? Im Hochsommer?«
    Hinter mir prustete jemand. Sicher der Fridolin.
    »Nur ausreichend. Deine Leistungen sind wirklich nicht zufriedenstellend. Das Thema nicht klar genug erfaßt. Es hieß ein Ferienerlebnis, keine Märchengeschichte. Erich, deine Arbeit ist weitaus die beste. Eine Fahrradpanne... ja, was willst du, Fridolin?«
    »Es gibt blaue Wiesen«, hörte ich die Stimme hinter mir, »abends in der Dämmerung färben sie sich blau. Und der Himmel wird dann oft dunkelgrün. Und warum soll ein Pferd nicht >Danke< sagen? Mit den Augen? Das ist doch möglich?«
    Ich schwitzte vor Verlegenheit und dachte verzweifelt, warum gibt es keinen Wasserrohrbruch? Das kann man doch nicht aushalten. Dieser unmögliche Fridolin, der meine Arbeit verteidigt. Er macht alles noch schlimmer. Er kennt Fräulein Richardson nicht. Die Ruhe täuscht. >Gleich platzt sie vor Argen, dachte ich aufgeregt.
    Sie platzte nicht. Im Gegenteil. Sie blieb sehr gefaßt und meinte ruhig: »So, so, das ist deine Meinung. Aber es sollte kein

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