Die Prophezeiung von Umbria
Ende?
Wollten sie mit ihren nächsten Opfern spielen, sich an ihrer Angst weiden? Ganz gleich, was kommen würde, er musste die winzige Chance nützen, die sich ihm bot.
Seine Hand umklammerte das Messer, als er Maura ins Ohr flüsterte: “Habt Ihr irgendetwas in diesem Schultergurt, das sie lange genug außer Gefecht setzt, damit ich zuschlagen kann?”
Es wurmte ihn, dass er sie um Hilfe bitten musste. Er sehnte sich nach seinem alten, einfachen Leben zurück, wo ihn nichts anderes interessiert hatte, als am Leben zu bleiben und etwas Essbares zu finden.
Doch er hatte mit Langbard einen Handel abgeschlossen und merkte auf einmal, dass es ihm etwas bedeutete, sein Wort gegeben zu haben.
Maura nickte kaum merklich. “Und was soll das nützen? Während ich den Zauberspruch sage, könnt Ihr zuschlagen … oder sie.”
Sie bewegte beim Sprechen kaum die Lippen. Rath sah, das sie vor Entsetzen wie gelähmt war.
“Was ist, wenn Ihr den Spruch sagt, bevor Ihr … das tut, was Ihr dann immer tut?”
“Das könnte klappen.”
Sie sah so verletzlich und besorgt aus, dass Rath mit einem Mal das Verlangen verspürte, sie vor allem Bösen zu beschützen. Und das hatte nichts mit dem Versprechen zu tun, das er Langbard gegeben hatte.
“Auch wenn Ihr die Worte nur flüstert?”
“Vielleicht. Ich habe es noch nicht versucht.”
“Nun, jetzt müsst Ihr es.”
Er legte ihr die Hand auf die Schulter. “Ich möchte, dass Ihr gleich aufsteht und tiefer in den Garten hineingeht. Wenn Ihr am Brombeerbusch vorbei seid, sagt den Spruch auf, dreht Euch um und führt den Zauber aus.”
Er bezweifelte, dass ihre Bemühungen einen Echtroi lange fesseln oder betäuben konnten. “Ich werde Euch folgen und den Rest erledigen.”
“Gut.”
“Sie dürfen keinen Verdacht schöpfen, falls sie uns beobachten. Ich werde Euch gleich umarmen, damit es aussieht, als würde ich Euch trösten. Nehmt bei der Gelegenheit aus dem Schultergurt, was Ihr für den Zauber braucht. Habt Ihr mich verstanden?”
Sie nickte.
Da er nicht wagte, sein Messer loszulassen, schlang er den linken Arm um ihre Schulter und zog sie an sich. Maura widersetzte sich nicht, sondern lehnte den Kopf an seine Schulter.
Einen Augenblick lang vergaß er den wahren Grund für sein Tun. Nichts schien wichtiger zu sein, als Maura im Arm zu halten, sie Wärme und Kraft spüren zu lassen und all das, was er mit Worten nicht ausdrücken konnte.
Seine Trauer über Langbards Tod und darüber, dass er ihn nun nicht mehr besser kennenlernen konnte. Seine Entschlossenheit, das gegebene Versprechen zu erfüllen. Und, was er sich bisher nur ungern eingestanden hatte, diese seltsame, starke Verbindung, die zwischen ihm und Maura bestand.
Vom ersten Augenblick an waren sie beide aneinander geraten. Wie zwei Feuersteine, die Funken schlagen, wenn man sie aneinander reibt. Wenn man nicht acht gab, konnten solche Funken einen Brand entfachen wie den, der jetzt Langbards Cottage verwüstet hatte. Doch mit Verstand genutzt, konnten diese Funken Licht erzeugen und Wärme.
Unbewusst lehnte Rath den Kopf zur Seite, bis seine Wange über Mauras weiche kastanienfarbenen Locken strich. Ihre Nähe weckte eine Sehnsucht in ihm nach so vielem, von dem er sich eingeredet hatte, er bräuchte es nicht.
Als Maura damit begann, in den Taschen des Schultergurts zu wühlen, wurde Rath aus seinen verführerischen Träumereien gerissen.
Rasch hob er den Kopf, packte das Messer fester und blickte aufmerksam umher. Er erschrak bei dem Gedanken, wie unvorsichtig er gerade gewesen war. In solcher Gefahr durfte er sich nicht Träumen hingeben.
“Fertig?”, flüsterte er.
Maura nickte und rieb den Kopf an seiner Schulter. Eine gefährliche kleine Zärtlichkeit.
“Gut. Dann lass uns handeln, solange wir noch eine Chance haben.”
Nur mit Überwindung konnte er sich von ihr lösen, so dass er sie am Ende fast von sich stieß und in Richtung Garten schob.
Er ließ sie einige Schritte voraus gehen und folgte ihr dann.
Als sie die letzten Schritte auf den Brombeerbusch zuging, bemerkte Rath eine leichte Veränderung in ihrer Bewegung. Er spannte alle Muskeln an, um den entscheidenden Schlag auszuführen, denn er wusste, dass es keine zweite Chance für ihn geben würde.
Maura wirbelte herum. Ihre Hand warf etwas in die Luft. Rath schwang das Messer.
Hinter dem Brombeerbusch ertönte ein lauter Schrei.
“Nein!”, schrie Maura plötzlich und warf sich über die Stelle, von der der Schrei
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