Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)
zur Hälfte.
»Sie wussten also noch nicht, dass er tot ist?«, fragte Schönlieb.
»Wer?« Es war nicht Max, der antwortete, sondern die alte Frau im Krankenbett. Schönlieb hatte sie fast übersehen. Sie war nicht sonderlich groß und drohte in Matratze und Bettdecke zu verschwinden, nur ihr Kopf und ein Arm schauten heraus. Unter die Decke führten Kabel und Schläuche, mehrere hatten ihren Ursprung an einem Tropf, der rechts neben dem Bett stand.
»Sie meinte ich nicht«, erklärte Schönlieb und lächelte der alten Frau beruhigend zu.
»Schade.«
»Nein, das wusste ich nicht«, antwortete Max. »Bei Facebook bin ich auch überhaupt nicht.« Facebook sprach er dabei sehr verächtlich aus. Er stach der Frau die Spritze in den Arm.
»Das stimmt nicht«, sagte Schönlieb. »Ich habe Sie dort gefunden. Als Freund von Huynh.«
Kurz schwiegen sie.
»Ist das Ihr Ernst? Ist er wirklich tot?«
Schönlieb nickte. Max schüttelte kaum wahrnehmbar den Kopf. Er ging zum Mülleimer und warf die Spritze hinein, anschließend desinfizierte er sich die Hände.
»Sie haben recht. Ich habe mich mal bei Facebook angemeldet und dann nie wieder etwas gemacht.«
»Darf ich Ihnen ein paar Fragen zu Huynh stellen?«
Max nickte. Gemeinsam verließen sie das Zimmer.
»Darf ich Ihnen erst noch eine Frage stellen?«, fragte der junge Mediziner und wandte sich Schönlieb zu, während er den kleinen Servierwagen vor sich herschob.
»Klar.«
»Woran ist er gestorben?«
»Er wurde ermordet.«
»Was?« Max blieb stehen. »Ermordet?«
»Ja.«
Max sah ihn fassungslos an, sagte aber nichts mehr.
»Sie kannten Huynh also?« Schönlieb hatte keine Lust, hier eine Minute länger zu verbringen als nötig. Die ganze Atmosphäre des Krankenhauses machte ihn krank. Er wollte so schnell wie möglich herausfinden, ob Max sie irgendwie weiterbringen konnte, und die Bestätigung bekommen, dass er der Pillenlieferant von Huynh war.
»Ja, klar kannte ich Huynh. Wir waren zusammen in einer Klasse. Auch nach der Schule hatten wir noch Kontakt, aber in den letzten ein, zwei Jahren haben wir uns nicht sehr oft gesehen.« Max schob den Servierwagen wieder ein paar Meter weiter. »Ich muss hier weitermachen, sonst werde ich nicht fertig.«
Er blickte in eine Mappe, legte sie wieder hin und nahm schon wieder eine der kleinen Ampullen. Diesmal nahm er noch einen kleinen Plastikbecher dazu. Schönlieb beschloss, es mit direkter Konfrontation zu versuchen.
»Sie haben ihn nicht oft gesehen. Nur wenn Sie ihm die Pillen gegeben haben, zum Weiterverkauf, oder?«
Max verharrte in seiner Bewegung. Sie standen in der Tür des nächsten Zimmers. Schönlieb und Max schauten sich einen kurzen Augenblick direkt in die Augen. Innerlich leuchteten bei Schönlieb alle Alarmlampen auf. Bingo! Max regte sich wieder.
»Was für Pillen?«, fragte er und ging in das Zimmer.
Schönlieb folgte ihm. Du hast dich schon längst verraten , dachte er. Er war sich jetzt völlig sicher. Er musste die Worte nur noch aus Max herauskitzeln.
»Hallo, Herr Kaiser«, begrüßte Max einen gar nicht so alten Mann im Krankenbett. Er sah kräftig aus, hatte aber ein eingefallenes, gerötetes Gesicht, mit allerlei aufgeplatzten Äderchen.
»Moin, Max. Bringst du mir meinen Cocktail?«, fragte der Mann und zwinkerte Schönlieb schelmisch zu. Mit einem Schluck kippte er den Inhalt des kleinen Plastikbechers herunter. Danach schüttelte er sich kurz.
»Sehr gut«, sagte Max ruhig.
»Ein Mojito war das aber nicht!«, beschwerte sich Herr Kaiser mit gespielter Empörung und lachte daraufhin selbst laut auf. Max und Schönlieb blieben ernst.
Max ging ein Bett weiter, während Herr Kaiser noch lachte.
»Sie wissen genau, welche Pillen ich meine«, hakte Schönlieb nach.
»Ist das ein Freund von dir, Max?«, fragte Herr Kaiser hinter ihnen.
Schönlieb drehte sich zu ihm um.
»Nicht direkt«, murmelte er und lächelte Herrn Kaiser zu.
Max ging ein Bett weiter. Darin lag eine Frau, die ungefähr so lebendig aussah wie die »Patienten« von Kalle. Max überprüfte den Beutel am Tropf. Es schien alles okay zu sein. Gefolgt von Schönlieb ging er wieder aus dem Zimmer.
»Tschüss, Herr Kaiser«, verabschiedete er sich im Gehen. »Nächstes Mal dann einen Cuba Libre.«
Schönlieb und Max standen wieder am Servierwagen auf dem Flur. Außer Max schien hier niemand zu arbeiten. Schönlieb hatte noch kein anderes Personal gesehen. Max wollte gerade wieder anfangen, sich für die nächsten
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