Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)
noch immer der schrille Nachhall der Eintrittsklingel. »Eine Packung Gauloises.«
»Du weißt, dass ich dir keine Zigaretten verkaufe, mein Freund.« Arjun blickte Schönlieb verständnislos an. »Du hast mit dem Rauchen aufgehört und selbst gesagt: Arjun, verkaufe mir nie, nie wieder eine Packung Zigaretten.«
Ja, das hatte er gesagt. Schönlieb erinnerte sich daran und war genervt. Von sich und von Arjun. Er hatte einen unglaublichen Brummschädel, und er wollte jetzt, verdammt noch mal, eine rauchen.
»Ja, ja, ich weiß, aber jetzt mach bitte nicht so ein Theater. Ich habe es mir anders überlegt … Du willst doch Geld verdienen. Und ich will Geld ausgeben. Was bist du für ein Geschäftsmann, wenn du deinen Kunden nicht mal das verkaufst, was sie haben wollen?«, schimpfte Schönlieb.
»Einer, dem die Kunden am Herzen liegen«, strahlte Arjun zurück und untermalte seine Aussage mit einem in die Luft gestreckten Zeigefinger.
»Außerdem«, fuhr er fort. »Wenn du rauchst, stirbst du schneller, und dann kaufst du nicht mal mehr Brötchen oder eine Zeitung.«
»Durch Zigaretten verdienst du viel mehr«, seufzte Schönlieb resigniert.
Arjun ließ sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen. Er grinste Schönlieb ein wenig väterlich und belustigt an. Obwohl er irgendwo tief im Verborgenen, allerdings wirklich sehr tief im Verborgenen, dankbar dafür war, dass Arjun so hart blieb, war Schönlieb vor allem erst mal eines: sauer.
»Ach, du hast sie doch nicht mehr alle!«, meckerte er und stampfte aus dem Kiosk. Ohne Zigaretten.
Mit einem beschissenen Gefühl im Magen und dem Eindruck, dass sich die Erde ein bisschen schneller drehte als sonst, saß Schönlieb in der Bahn. Den Kopf hatte er gegen die Fensterscheibe gelehnt, und zwischendurch fielen ihm die Augen zu. Bianca winkte ihm zu. Sie lachte ihm mitten ins Gesicht. Sie zerrte und rieb sich an ihm, und dann plötzlich sah er, wie sie ihren gewaltigen BH öffnete und ihr pralles Dekolleté in zwei riesige, schwabbelnde Brüste überging. Er riss die Augen auf und schnappte nach Luft. Erschrocken schaute er sich um. Ein kurzer Blick nach draußen beruhigte ihn. Seine Haltestelle hatte er noch nicht verpasst. Vor ihm saß eine ältere Frau und schaute ihn verständnislos an. Ihm war schlecht, und er befürchtete, sich gleich übergeben zu müssen. Seine Augen fielen wieder zu. Er presste sein Gesicht zwischen Biancas fette Brüste, verschwand vollkommen, bekam keine Luft mehr. Es ekelte ihn an, und gleichzeitig genoss er es, wie er hilflos in ihrem Busen hing, wie sie ihn an sich presste und er aufgrund des Sauerstoffmangels fast ohnmächtig wurde. Endlich ließ sie ihn los. Er schnappte nach Luft und öffnete die Augen. Alsterdorf! Seine Station! Er musste raus.
Er wankte aus der U-Bahn, die frische Luft tat ihm gut. Er steuerte auf den kleinen Bahnhofskiosk zu und kaufte sich ein Wasser. Danach blieb er kurz stehen, nahm einen kräftigen Schluck und versuchte sich ein wenig zu sammeln.
Es war schon wieder passiert. Wieder hatte er so gut wie keine Erinnerungen an den Sex. Sein viertes Mal, und es war, wie die anderen Male, aus seinem Kopf gelöscht. Das durfte doch nicht wahr sein.
Als er endlich das LKA-Gebäude erreichte, nahm er einen letzten kräftigen Atemzug und ging hinein. Als er ins Büro kam, stürmte Birte auf ihn zu.
»Da bist du ja!«, rief sie. »Wallner schimpft schon den ganzen Morgen über dich, weil du nicht auftauchst, und auf deinem Handy konnte er dich auch nicht erreichen.« Schönlieb betastete instinktiv seine Hosentasche. Eigenartig. Das Handy war nicht da. »Bei Holding hat er sich natürlich auch schon kräftig ausgekotzt.«
»Natürlich.« Verdammter Wallner . Schönlieb nickte Birte Coskun nur kurz etwas benommen zu und machte sich auf den Weg in sein Büro beziehungsweise in Wallners und sein Büro. Es war leer.
»Die sind im Vernehmungsraum und knöpfen sich da euren jungen Hauptverdächtigen vor«, rief Birte ihm von hinten zu. Max, verdammt . Den hatte Schönlieb schon wieder völlig vergessen. »Der sollte bald weichgekocht sein. Dann kannst du erst mal in Ruhe Papierkram machen und dich auskurieren.« Birte lächelte und sagte »auskurieren« mit einem Unterton, der Schönlieb klarmachte, dass man ihm die letzte Nacht deutlich ansah.
»Scheißerkältung!«, sagte er zu Birte, grinste ein bisschen schief und zog die Achseln hoch.
»Schon klar.«
Schönlieb drehte sich um und ging mit schnellen Schritten in
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