Die pure Versuchung
Investmentbranche.“
„Das hat er behauptet?“, fragte Guardino ungläubig. „Was für ein Idiot.“
„Was macht er denn wirklich?“, wollte Dan wissen.
„Früher hat er für mich gearbeitet und besuchte einige meiner Kunden. Er kümmerte sich um die Außenstände, sorgte dafür, dass alles reibungslos lief, nahm die Zahlungen entgegen.“
Dans Miene blieb unbewegt, während sein Verstand fieberhaft arbeitete. Hier ging es nicht um ein paar Spielschulden, auch wenn Taylors Spielsucht vermutlich dahintersteckte. Taylor war Guardinos Mann gewesen, der das Geld aus diversen krummen Geschäften eintrieb. Offenbar war er so lebensmüde gewesen, mit dem Geld seines Chefs zu verschwinden.
„Haben Sie Chad Harris überprüft, ob er mit Taylor gesprochen hat?“, erkundigte sich Shannon.
Guardino nickte. „Chad konnte mich überzeugen, dass er von alldem nichts gewusst hat.“
Etwas an der Art, wie er das sagte, ließ Dan innehalten. Er fragte sich, ob Chad noch unter den Lebenden weilte, und wenn ja, wie es dann um seine Gesundheit bestellt war.
Das waren nicht gerade beruhigende Gedanken. Trotzdem sah er noch immer keine andere Möglichkeit, als sich durch geschicktes Improvisieren zu retten.
Allerdings machte ihm plötzlich Übelkeit zu schaffen, und er fragte sich, ob sie auf seine Kopfschmerzen zurückzuführen war, oder ob der Seegang stärker geworden war.
Genau bei dieser Überlegung klirrten die Flaschen hinter der Bar, und das Schiff neigte sich leicht zur Seite. Dan und Shannon hielten ihre Drinks fest. Dan gelang es gerade noch rechtzeitig, das Tablett festzuhalten, bevor es herunterfallen konnte.
Mit zwei Schritten war Guardino beim Telefon an der Wand. Er hatte Dan und Shannon den Rücken zugekehrt und redete leise. Doch sein Ton verriet, dass jemand für die nachlässige Art, die Jacht zu steuern, Ärger bekommen würde.
Dan nutzte die Chance und sah zu Shannon. Was er sah, gefiel ihm nicht. Sie war leichenblass, und ihre Augen waren vor Angst geweitet. „Werd jetzt bloß nicht seekrank“, flüsterte er.
„Das ist es nicht“, erwiderte sie ebenso leise. „Hast du begriffen, was Rick getan hat? Er hat offenbar Geld gestohlen …“
„… um seine Spielschulden zu begleichen“, vollendete er den Satz für sie. „Du hast wirklich eine glückliche Hand bei der Wahl deiner Männer.“
„Ich bin doch bloß mit ihm ausgegangen, um einer Freundin einen Gefallen zu tun. Und danach war es einfacher, mit ihm auszugehen, als sich ständig eine Ausrede einfallen zu lassen.“
„Du hast für eine Computerfirma in St. Louis gearbeitet?“
„Ja.“
„Du hast nicht zufällig einen Lebenslauf bei dir, oder? Ich suche nämlich …“
„Sehr witzig, Dan. Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du an deinem Sinn für Humor arbeiten solltest?“
Immerhin brachte sein Humor ein wenig Farbe in ihre Wangen. Dan war immer noch nicht sicher, wieso sie glaubte, sich in sein Leben einmischen zu müssen. Sobald sie wieder an Land waren, würde er diese Frage ein für alle Mal klären. Falls sie es getan hatte, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen, war sie erfolgreich gewesen. Allerdings konnte er diese Taktik kaum anderen Bewerbern um einen Job empfehlen.
Das Geräusch des Telefonhörers, der auf die Gabel geknallt wurde, lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihren Gastgeber. Sein Gesicht wies hektische Flecken auf. Dan stellte sich lieber nicht vor, wie hoch Guardinos Blutdruck in diesem Moment war.
„Der Kapitän hat mich gerade darüber informiert, dass ein tropisches Tiefdruckgebiet aus dem Süden heraufzieht“, verkündete er angespannt. „Die Küstenwache hat an alle Schiffe eine Hurrikanwarnung herausgegeben.“
Dan nickte. „Dann sollten wir besser wieder die Küste ansteuern. Es dürfte nicht lange dauern, die Insel zu erreichen. Wie weit sind wir eigentlich genau von ihr entfernt?“
„Ich habe nicht die Absicht, die texanische Küste anzulaufen.“
„Ach, lassen Sie sich nicht von unserem Ruf abschrecken“, erwiderte Dan freundlich. „Wir Texaner sind alles anständige Leute. Vielleicht manchmal ein bisschen arrogant, aber das bringt das Land mit sich.“
„Wenn man mich in dieser Gegend sieht, werden bestimmte Leute annehmen, ich sei auf Geschäfte aus“, erklärte Guardino. „Ich will keinen Krieg um Territorien führen. Ich habe dem Kapitän befohlen, uns so rasch wie möglich nach New Orleans zu bringen.“
„Nach New Orleans?“ Shannon sprang auf. „Das geht nicht!
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