Die Quelle
nutzte Leathan
diese unverhoffte Macht, um sich an ihn festzukrallen... er zerrte den Gott mit
sich, und ließ den Gott die unsagbaren Qual seines Körpers an seiner
Stelle erdulden.
Natürlich war Leathan zu sehr geschwächt, um den
Geist des Gottes lange in sich zu halten, doch es reichte...
...ehe Leathan in den Schrei seiner eigenen Seele unterging,
hörte er den Schrei des Gottes... doch Rache war vergebens, wie er gerade
lernen musste. Rache vermochte es nicht, seine Qualen zu lindern oder irgendwie
erträglicher zu machen.
*
Ein entsetzlicher Schrei ertönte. Im Wald der Quelle
erschrak die gesamte Tierwelt. Sowohl die Krieger von Ker-Deijas als auch die Nomadenkrieger
Sihldans erschauderten. Sogar die Kinder der Quelle wurden wachsam und einige
geisterhafte Silhouetten näherten sich der Oberfläche des Sees.
Einzig König Leathan hatte den Schrei Anthalions
nicht gehört, denn der König konnte kein Wesen hören, das in
dieser Welt geboren worden war. Dennoch war er zusammengezuckt und er musterte verwundert
seine Umgebung. Äste schlugen nach oben, Büsche raschelten und
unnatürliche Stille folgte. Was auch immer gerade passiert war, es hatte
den Wald erschüttert. Er blickte zum See und sah, was er in all den Jahren
noch nie gesehen hatte. Die Kinder der Quelle waren in Aufruhr. Ihre
geisterhaften Silhouetten huschten über den See, tauchten durch den
leuchtenden Wasserfall um in das endlose Universum zu fliehen, nur um ihm
Augenblick darauf zurückzukehren. Die Nebelschwaden waren durcheinandergewirbelt
und die sonst so glatte Oberfläche des Sees kräuselte sich. Wieder
fühlte der König die Last des Fluches, die ihm jede Information
verwehrte. Doch als er vom Gipfel seines Baumes über die Baumkronen
spähte, war er nicht länger allein... der göttliche Geist Balderias
war bei ihm.
Er spürte, wie sie seine Gedanken in Richtung des
Meeres lenkte und ihn dort wieder verließ, um sich ihren Priestern in
Anthalia zu widmen, denn dort wütete bereits der Krieg. Nur kurz wunderte
sich der König darüber, dass sie sich ihm in diesem Augenblick zugewandt
hatte. Die Göttin hatte sich verändert. Der König wagte es,
Zuversicht zu empfinden. Balderia würde ihr Versprechen halten. Bald
schon… Er konnte es kaum noch erwarten. Doch nun versuchte er, sich auf das
jetzige Geschehen zu konzentrieren. Er tastete sich durch den Wald… In der
Ferne verschmolz er mit den Wogen des Meeres, wie Balderia es ihm suggeriert
hatte.
Plötzlich erschrak er zu endecken, was Balderia ihm
hatte zeigen wollen.
Er konnte deutlich einen Geist erkennen, wirr und dem
Wahn so weit verfallen, dass, hätte er nicht gewusst, dass nur Stellas Geist
für ihn erreichbar war, er sie hätte niemals erkennen können.
Mitleid erfasste ihn und er musste all seine Willenskraft aufbringen, um sich
nicht entsetzt zurückzuziehen.
*
Anthalion zitterte am ganzen Leibe. Seine
Stimmbänder fühlten sich rau an, von dem entsetzlichen Schrei
verletzt, der sich aus seiner Kehle gelöst hatte… Kegalsik schenkte ihm
die Macht der Heilung, doch deutlich konnte Anthalion den Vorwurf seines
Bruders spüren. In diesem Augenblick war es ihm jedoch egal. Allein das,
was er in Leathans Körper erfahren hatte, zählte noch.
Er erschauderte beim Anblick von Leathans gequältem
Körper und musste sich abwenden. Loodera war auf dem wankenden Boot an
seine Seite gerückt und versuchte herauszufinden, was ihren Liebhaber so
gequält hatte. Wie hätte er ihr antworten können? Er blieb
stumm, erschüttert von seinem eigenen Verbrechen.
Anthalion bemühte sich, wieder etwas ruhiger zu
atmen. Er zwang sich Leathans toten Körper anzusehen, der durch Drogen und
Magie auf diese qualvolle Weise am Leben erhalten wurde. Die Erinnerung an das
unsagbare Leid übermannte ihn abermals.
Anthalion zog sein Schwert. Die blaue, energiegeladene
Klinge leuchtete stärker denn je, als spüre sie die Nähe der
Quelle, aus der sie einst erschaffen worden war. Nichts wünschte sich
Anthalion in diesem Augenblick mehr, als Leathan zu erlösen, doch Loodera
hielt seine Hand fest umklammert. Von Kegalsiks Anwesenheit gestärkt,
gelang es ihr, Anthalion daran zu hindern, seinen tödlichen Schlag
auszuführen.
„Anthalion, mein Gebieter, bitte, du kannst ihn nicht
töten. Sollte sein Leid umsonst gewesen sein?“
„Was weißt du schon von seinem Leid?“, brüllte
er sie an.
Loodera blickte in die wirren Augen ihres Gottes.
Irgendwo tief in ihrer Seele, verspürte
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