Die Quelle
Gegner
erachtet hatte.
Sulidian entdeckte das provisorische Lager, für das
Sihldan sich im Voraus entschuldigt hatte. Der Wald um den See war umrandet von
kleinen Zelten, doch da diese nicht ausreichten, um sowohl die Nomaden als auch
die Krieger vom Volk der Wächter zu beherbergen, hatten Sihldans
Männer zusätzlich Planen und Äste miteinander verwoben. Sie
boten Schutz vor dem Unwetter und ließen dennoch einen Blick auf die
Umgebung zu, wie Terrassen vor einem Haus. An mehreren Stellen waren kleine
Rinnen in den Boden gegraben worden, so blieb der Grund unter den
provisorischen Überdachungen weitestgehend trocken. An der Stelle, die
für Sulidians Krieger gedacht war, waren bereits Speisen angerichtet und
Decken boten gemütliche Plätze, um sich von dem langen Ritt zu
erholen.
*
Mehana blieb bei Stella, während die Nomaden es sich
gemütllich machten. Die Überschwänglichkeit ihrer
Begrüßung hatte sie zwar im ersten Augenblick geehrt und gefreut,
doch ihr war bewusst, wie ungewöhnlich diese war. Sie kannte Stella nur
als Leathan und ihr letztes Treffen lag bereits mehr als ein Jahr zurück.
Zwischen ihnen gab es viel Raum für Respekt und sie hatten gemeinsam an
einem Ziel gearbeitet, doch zu freundschaftlicher Zuneigung war es auch damals
nie gekommen. Sie fanden unter einem großen Baum Zuflucht vor dem immer
stärker niederprasselnden Regen. Von hier aus konnten sie das Lager der
Nomaden beobachte. Ihre bunte Kleidung war von ihrem Feuer erleuchtet, ihre
lauten Stimmen und ihr Lachen hallten herzerwärmend durch die Dunkelheit
und schließlich überwand Stella die Stille.
„Viele von ihnen sind gestorben… Sie schütteln ihre
Trauer ab, als sei sie nur ein lästiger Regentropfen. König Leathan
war einst wie sie. Er fand Weisheit und Stärke, ohne sich darum
bemühen zu müssen, ohne sich allzu ernst zu nehmen… Es war wahrlich
unmöglich für ein Kind der Quelle, nicht von ihm fasziniert zu sein…
So menschlich, so lebendig, und doch hatte er etwas von unserer
Unbekümmertheit in sich.“
Mehana sah zu Stella, ihre Gesichtzüge verrieten
eine Art von Trauer, die jenseits der Tränen war. Mehana schauderte bei
diesem Anblick, denn sie ahnte, das Kind würde sich von dem Leid, das es
erfahren hatte, niemals erholen. Erneut wandte sich Stella zur Regentin und
diesmal lächelte sie sie an. Obwohl ihr Lächeln matt und blass
wirkte, schien Stella dadurch ihren Gedanken widersprechen zu wollen.
„Mehana. Ich habe in eurer Welt vieles erlebt und
erfahren. Obwohl ich vieles erleiden musste, habe ich auch Schönheit
gesehen... sowohl mit meinen Augen; als auch mit meinem Herzen. Ich möchte
die Erfahrung des Lebens nun nicht mehr missen, es ist ein Teil von mir
geworden, unwiderruflich… und ich bin dankbar dafür. Du solltest dir also
keine Gedanken um mich machen.“
„Versuchst du mich oder dich selbst davon zu
überzeugen?“
„Das spielt keine Rolle, verschwende deine Gedanken nicht
daran. Meine Zeit unter euch ist nun bald vorbei. Wichtig ist die Zukunft
deines Volkes, denn dafür haben wir gekämpft, nicht wahr?“
Mehana nickte nur als Antwort und Stella fuhr fort. Ihre
Stimme klang bedrückt, ihre Augen waren wiederum von Trauer erfüllt
und schon bald wusste Mehana weshalb es so war.
Stella würde in Kürze verraten müssen,
woran sie all die Jahre fest geglaubt hatte und wofür sie auf ihre
unbekümmerte Existenz als Kind der Quelle verzichtet hatte. Falls dies
überhaupt möglich war, so hatte Stella durch ihre Erkenntnis mehr
erlitten, als durch die Folter Anthalions.
Mehana eilte zurück zu ihren neuen Verbündeten.
Sie wusste, dass Eile geboten war, doch gleichzeitig wusste sie auch, dass ihre
Schritte sie nur so schnell trugen, weil sie die Nähe von Stella nicht
mehr ertragen konnte. Es war als würde das Leid des Kindes die Luft
erfüllen und ihr das Atmen verwehren. Sie durfte ihre Gedanken damit nicht
belasten, einmal mehr hatte etwas anderes Vorrang, als das Menschliche.
*
Sulidian und Sihldan aßen gemeinsam, ihre Krieger
saßen um sie herum und genossen es, sich kennen zu lernen. Als Mehana
sich der Runde näherte, zögerte sie kurz, doch Sulidian hieß
sie mit einem breiten Lächeln willkommen und obwohl sie eine Frau war, bot
er ihr einen Platz in der Männerrunde an. Sie blickte ernst zu den beiden
Clananführern, doch als sie ihr Anliegen aussprechen wollte, verbot
Sulidian ihr freundlich lächelnd das Wort.
„Regentin, du bist hier in der Behausung, die
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