Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)
Stallmeister sie nicht beachtete – an die anderen Knappen und bat sie, sich um die Pferde zu kümmern. Dann fasste er Luce am Arm und zog ihn zwischen den Ställen hindurch in einen Winkel an der Pfahlmauer, wo er ihn auf einen Holzklotz drückte.
»Du zitterst ja fast. Jetzt sag doch, was los ist«, meinte er besorgt.
Luce schluckte. Auch wenn er Philip noch so sehr mochte, konnte er dem Freund trotzdem nicht anvertrauen, dass William de Thorigny seine Mutter vergewaltigt hatte … »Dieser Gast des Lords … William de Thorigny … Er hat das Gut meiner Familie in der Normandie niedergebrannt und meinen Vater und meinen Onkel getötet«, stammelte er.
»O mein Gott …« Philip starrte ihn fassungslos an.
Yvains Anwesen ist nur einen guten Tagesritt entfernt , durchfuhr es Luce. Was, wenn es kein Zufall war, dass William de Thorigny Lord Malcolm besuchte? »Ich muss herausfinden, was de Thorigny plant«, sagte er hastig. »Möglicherweise weiß er, dass meine Mutter und meine Schwester ganz in der Nähe leben, und will ihnen etwas antun. Und …« Er hielt entsetzt inne und stöhnte. »Ich darf de Thorigny auf keinen Fall unter die Augen kommen. Er kennt mich. Ich habe einmal versucht, ihn zu töten.«
»Du hast was?« In Philips Fassungslosigkeit mischte sich Bewunderung. Ein Teil von ihm fühlte mit Luce und war tief betroffen. Trotzdem regte sich auch Abenteuerlust in ihm. Seine Gedanken arbeiteten fieberhaft. »Am besten, du verschwindest erst einmal, während ich versuche, mehr über diesen Kerl herauszufinden. Wo seine Zimmer liegen und mit wie vielen Leuten er hierhergekommen ist … Dann kannst du versuchen, ihn während der Nacht auszuspionieren. Falls jemand nach dir fragt, behaupte ich einfach, du müsstest dich um ein krankes Pferd kümmern. Für ein paar Stunden dürfte das als Ausrede reichen …«
»Danke.« Luce lächelte den Freund an. Da er es nicht ganz alleine mit William de Thorigny aufnehmen musste, fühlte er sich ein bisschen besser. »Ich verstecke mich am besten auf dem Heuboden. Dorthin dürfte es um diese Tageszeit kaum jemanden verschlagen. Ach ja, und könntest du mein Pferd sicherheitshalber aus dem Gut schmuggeln, falls ich es heute Nacht verlassen muss?«
»Sobald ich etwas herausgefunden habe, spätestens nach dem Ende der Abendmahlzeit, komme ich zur dir.« Philip nickte. »Und um dein Pferd kümmere ich mich auch.« Ein bisschen von seiner Abenteuerlust übertrug sich nun ebenfalls auf Luce.
Diese wich jedoch gleich wieder, sobald Luce auf dem Heuboden war. Nur zu deutlich erinnerte er sich daran, wie er sich damals, als er geglaubt hatte, seine Mutter hätte sich wegen William de Thorigny umgebracht, auf dem Heuboden des Klosters von Bellême verkrochen hatte.
Aber nun bin ich kein Kind mehr! , dachte Luce und ballte die Hände zu Fäusten. Ich werde es nicht zulassen, dass William de Thorigny meiner Mutter noch einmal ein Leid zufügt . Er beobachtete, wie der Himmel über der Luke allmählich dunkler und das Licht auf dem Boden schwächer wurde. Stimmengewirr auf dem Hof zeigte an, dass bald die Abendmahlzeit beginnen würde.
Es schien ihm endlos zu dauern, bis er die Stimmen wieder hörte. Gleich darauf ertönten Schritte auf der Leiter und dann ein Rascheln im Heu. Als Luce sich vorsichtig aufrichtete und über das trockene Gras spähte, konnte er die schmale Silhouette des Freundes in dem Zwielicht erkennen.
»Hier bin ich!«, rief er leise. Philip tastete sich zu ihm und ließ sich dann neben ihn sinken. »Dein Pferd steht im Wäldchen am Fluss, hinter einem großen Felsen. Vor ein paar Tagen sind wir dort zusammen vorbeigeritten. Du erinnerst dich bestimmt. Es tut mir leid, dass ich nicht früher kommen konnte. Aber ich musste bis zum Ende der Mahlzeit bei Tisch aufwarten«, sprudelte er hervor. »Wenigstens konnte ich ein paar Gesprächsbrocken an der Tafel des Lords aufschnappen. William de Thorigny will noch ein paar Tage hierbleiben und auf das Kommen weiterer Männer warten.«
»Was darauf hindeutet, dass er einen Überfall plant«, erwiderte Luce düster.
»Ja, wahrscheinlich.« Philip nickte und zog unwillkürlich die Schultern ein bisschen hoch. »Dieser de Thorigny war freundlich zu mir. Aber trotzdem hat er so eine Art … Ich möchte ihn nicht zum Feind haben.« Er besann sich kurz. »Lord Malcolm hat den Baron am Ende der Mahlzeit eingeladen, noch auf ein Glas Wein in seine Räume zu kommen. Sie liegen in dem neuen Seitenflügel des Wohnhauses,
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