Die Ranch
Klopfen am Fenster. Sie glaubte, es wäre ein Tier – bis sie ein hellgrünes Hemd und ein vertrautes Gesicht entdeckte, das jungenhaft grinste. Erfreut winkte sie Gordon zu und fragte sich, ob irgendein Instinkt sie bewogen hatte, auf ihn zu warten. Mit leisen Schritten verließ sie das Haus. Draußen war es kühl. Sie trug immer noch ihr Wildleder-Outfit, aber keine Stiefel.
»Pst!« Er legte einen Finger an die Lippen. Doch sie hatte gar nicht beabsichtigt, seinen Namen zu rufen. Wenn man ihn um diese Stunde bei einem der Gäste-Bungalows ertappte, würde er Ärger mit der Hoteldirektion bekommen.
»Was machen Sie hier?«, wisperte sie.
»Keine Ahnung. Vielleicht bin ich verrückt, fast so verrückt wie Sie.« Niemals würde er das Lied vergessen, das sie an diesem Abend für ihn gesungen hatte.
»Gratuliere zu Ihrem Triumph beim Rodeo«, flüsterte sie lächelnd. »Sie waren großartig.«
»Danke.« Ihr Lob bedeutete ihm sehr viel, denn mit seinem Sieg hatte er sich für ihren Gesang revanchiert. Unfähig, der Versuchung zu widerstehen, zog er sie an sich. »Ich muss wirklich wahnsinnig sein. Wenn mich irgendjemand sieht, werde ich gefeuert.«
»O Gordon – das will ich nicht.« Eindringlich schaute sie in seine Augen. »Nichts darf dir zustoßen.«
»Dir auch nicht. Als ich dich heute Nacht in diesem Gedränge sah, hatte ich schreckliche Angst, jemand könnte dich verletzen.«
»Eines Tages wird's vielleicht passieren«, erwiderte sie in gleichmütigem Ton, obwohl sie sich ganz anders fühlte.
»Wie gern würde ich dich beschützen«, gestand er leise, verblüfft über seine eigenen Worte.
»Du könntest mich nicht dauernd bewachen. Jederzeit wäre ein Angriff möglich – wenn ich morgens aus dem Haus gehe, auf der Bühne stehe oder im Supermarkt einkaufe.«
»Warum wirst du nicht ständig von Bodyguards abgeschirmt?«, fragte er besorgt.
»So will ich nicht leben. Und solange die Fans nicht durchdrehen, komme ich ganz gut mit ihnen zurecht.«
»Heute Abend haben die Sicherheitsbeamten erzählt, dass hundert Leute deinem Wohnmobil nachgerannt sind. Das hat mir wirklich Angst gemacht.«
»Aber mir ist nichts passiert. Auf diesen wütenden wilden Pferden bist du in viel größerer Gefahr.« Er zog sie noch fester an seine Brust, und sie wehrte sich nicht. Es drängte sie, mit ihm zu verschmelzen, ein Teil von ihm zu werden. Und als er sie anschaute, sah er nur noch ihr Gesicht, ihre Augen, die Frau, die er hinter der Legende entdeckt hatte.
»O Gott, Tanny«, flüsterte er in ihr Haar. »Was tue ich da?« Er hatte befürchtet, sie würde ihn verwirren – hatte aber niemals mit diesen übermächtigen Gefühlen gerechnet. Voller Hingabe schlang sie die Arme um seinen Hals, und er küsste sie, wie er noch keine andere Frau geküsst hatte. Jetzt war er zweiundvierzig, und in seinem bisherigen Leben war ihm keine Frau begegnet, für die er so viel empfunden hätte. Aber in knapp zwei Wochen würde sie abreisen …»Sag mir, dass ich nicht verrückt bin«, bat er. »Doch das wäre sinnlos – ich weiß, ich habe den Verstand verloren.« Glücklich und verzweifelt zugleich strich er über ihr seidiges Haar.
»Wir beide sind verrückt«, erwiderte sie sanft. »Was mit mir geschieht, weiß ich auch nicht.« Die Emotionen glichen einer Flut, die sich einfach nicht aufhalten ließ. Immer wieder küssten sie sich, und Tanya sehnte sich nach leidenschaftlicheren Zärtlichkeiten. Durften sie ihrem Verlangen nachgeben?
Zögernd fragte er: »Bist du verheiratet? Gibt es jemanden in deinem Leben – einen Freund?« Wenn das zutraf, würde er sofort zurücktreten, selbst wenn es ihn umbrachte.
Aber sie schüttelte den Kopf und hauchte noch einen Kuss auf seine Lippen. »Gerade läuft meine Scheidung. Sonst gibt es niemanden.« Und es hatte nie jemanden gegeben. Hätte sie damals nicht Bobby Joe, sondern Gordon geheiratet, wäre die Ehe wohl kaum zerbrochen.
»Mehr muss ich vorerst nicht wissen. Alles Weitere können wir später besprechen, falls es überhaupt dazu kommt… Wärst du gebunden, würde ich sofort gehen.«
»Das bin ich nicht. So etwas passiert mir zum ersten Mal in meinem Leben. Ganz egal, was du über Film- oder Rockstars gelesen hast… Nie habe ich mich Hals über Kopf verliebt, so wie jetzt.« Die Macht der Gefühle schien ihr fast unerträglich. Und dann dachte sie an ihn und an die Probleme, die möglicherweise auf ihn zukamen. »Bitte, sei vorsichtig. Niemand darf was merken. Sonst
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