Die Regentin (German Edition)
soll dir solche Narrheit erlauben?«
Sie stand so nahe bei ihm, dass sie fast sein Gesicht berühren konnte. Das vermied sie, aber sie griff vorsichtig nach seiner glänzenden Hand, um sie kurz zu drücken. »Ist das wirklicheine Narrheit? Du hast mich doch auch vom Sklavenlos befreit.«
»Soweit ich mich erinnern kann, hast du’s mir noch nicht gedankt«, antwortete er mit belegter Stimme.
»Wenn du mir dieses Mädchen... wenn du mir Rigunth gibst, dann werde ich es dir danken. Was willst du, dass ich für dich tue?«
Er hörte zu essen auf, indessen er ihr Antwort gab.
Geliebter Aidan!
Gleichwohl es immer ein fremdes bleiben wird, solange es mich von dir trennt, lerne ich nun das Land, in dem ich lebe, besser kennen. Der König wünscht es so. Er will, dass ich an seinen Geschäften Anteil nehme, dass er mit mir darüber sprechen kann, so wie auch einst, da wir noch nicht als Eheleute verbunden waren. Ich habe eingewilligt – weil es nicht schwerfällt und weil’s ein Mittel ist, ihn mir gefälliger zu stimmen. Mein größtes Verlangen – nach Heimkehr – wird er mir stets verweigern, aber gibt’s nicht auch viele kleine Wünsche zu erfüllen, wie jenen, das Sklavenmädchen Rigunth von seinem Los zu befreien?
Seit einigen Wochen lebt sie an meiner Seite, und ich weiß nicht, ob es an ihr liegt oder an des Königs Forderung – ich gehe wacher durch die Tage.
Das Reisen von Residenz zu Residenz bin ich gewohnt, desgleichen ist mir die Landschaft vertraut (mehr grün als gelb, reich an Flüssen und Wäldern, manchmal hügelig, manchmal eine glatte, weite Fläche) – weniger weiß ich von den Menschen, die es bewohnen.
Gewiss, dass es der Stände viele gibt, bin ich mir nur allzu bewusst, seitdem ich als Sklavin schuftete.
Neu ist mir hingegen, dass die Oberschicht – Senatoren, Bischöfe und Grundherren – gänzlich von der Steuer befreit ist! Dies deucht mich nicht gerecht, gleichwohl es ein so altes Gesetz ist, begründet von Chlodwigs Urahnen, den ersten Merowingerkönigen, um sich die mächtigen Familien geneigt zu stimmen. Nur von den einfachen Mönchen wird manchmal die Forderung laut, dass sich jene – derart von Gott Begünstigten – ihre Zeit nicht nur mit Kämpfen, Jagden und Festen vertreiben sollten, sondern auch mit Wohltaten an den Mühseligen und Beladenen
Zu jenen gehören die Bauern, Händler und Handwerker. Gelingt es ihnen, Gewinn zu erwirtschaften, so können sie Einfluss erringen (den Bischof wählen oder Vertreter ihrer Zunft zum Comitatsgericht schicken). Doch wenn sie verarmen, eine einzige schlechte Ernte genügt, so verkaufen sie sich oft selbst an einen Grundbesitzer. Dadurch verlieren sie zwar ihre Freiheit, gewinnen aber die Sicherheit, bis ans Ende ihrer Tage ernährt zu werden, wenn auch mehr schlecht als recht. Dieses Unrecht scheint mir noch größer, gleichwohl ich nicht dagegen wettere. Der König erzählt mir viel, er will, dass ich zuhöre, und stellt Fragen. Doch das heißt nicht – trotz allen Interesses –, dass es mich drängt, bestimmte Themen aus freien Stücken anzusprechen ...
Rigunth begleitete die Königin wie ein treues Hündchen, wortkarg, mit aufgerissenen Augen, stets wendig huschend, wenn sie in Bathildis’ Augen einen Wunsch erahnte. Meist erfüllte sie ihn, noch ehe er ausgesprochen war.
Lange dachte Bathildis, dass sich das Mädchen vor ihr ängstigte und sie sie darum durch Willfährigkeit geneigt stimmen wollte.
»Es gibt genügend Gesinde, das sich um mein Wohlbefinden kümmert«, erklärte sie ihr. »Ich habe dir eindringlich gesagt, dass du nicht länger dazuzählst. Betrachte mich als eine, die der gleichen Sippe wie du entstammt, denn gemeinsames Blut könnte uns nicht enger aneinander binden als ähnliches Geschick.«
Rigunth schwieg lange und mit ernstem Blick. Bathildis hattevermieden, das Mädchen noch einmal nach seiner Herkunft zu befragen, gewiss, dass es Rigunth zu sehr aufwühlen würde. Es genügte, dass sie in den leicht umwölkten Zügen des Mädchens dieselbe Trauer, denselben Schmerz ablesen konnte, wie sie in ihr wucherten.
»Aber ich diene Euch gerne«, antwortete das Mädchen schlicht.
Rigunth nickte, als wollte sie andeuten, dass damit alles gesagt war. Bathildis lächelte still. Es gefiel ihr, dass das Mädchen nicht überschwänglich war, dass sie den Willen zur lebenslangen Treue mit leisen Taten bekundete, nicht mit tränenreichen Beteuerungen.
»Gut«, sagte sie schlicht und erntete den dunklen,
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