Die Reise Zur Stadt Der Toten
angsterfüllt!« Irquit warf Homar einen mißbilligenden Blick zu, aber Lyra blieb stehen und sah ihn bedauernd an.
»Na gut. Komm herein! Aber es wird dir nicht behagen.«
Homat folgte ihr, und Irquit kam hinterher, weil sie sich nichts entgehen lassen wollte. Als sie unten angelangt waren, zeigte sich schnell, daß Lyra die Wahrheit gesprochen hatte. Die beiden Mai froren bei der Kabinentemperatur von fünfundzwanzig Grad.
Etienne begrüßte sie in der durchsichtigen Cockpitkuppel, überließ die Erklärungen aber Lyra. Obwohl sie einfache Begriffe verwendete und auch nicht über die Grundlagen der Naturwissenschaften hinausging, stellte sich bald heraus, daß Begriffe wie Elektrizität und Dioden das Auffassungsvermögen ihrer Gäste überstiegen.
Bald gestand Homat: »Ich glaube, ich bin lieber angsterfüllt als durchgefroren«, und damit trat er den Rückzug zum Heck an.
Draußen angelangt, hüpfte er ein paar Minuten herum, bis er sich wieder erwärmt hatte, und machte sich dann daran, seine persönlichen Habseligkeiten auf dem Deck anzuordnen. Die Mai würden dort schlafen, wo sie auch kochten, abseits des schrecklichen arktischen Klimas, das ihre Gastgeber offenbar so schätzten.
Trotz aller Erklärungen und beruhigenden Beteuerungen brauchte Lyra eine weitere Stunde, um sie zu überzeugen, daß das Boot sie nicht verschlingen würde, wenn sie die Reling losließen, und Etienne so beschleunigte, daß ihr Fahrzeug einen Satz machte. Sie zeigte ihnen, wie sich das Boot auf seine zwei Tragflächen erhob, und erklärte ihnen, wie ihnen dies ermöglichte, mit siebzig Kilometer pro Stunde flußaufwärts zu fahren.
Als einige Zeit verstrichen war und ihr schnelles Fortkommen und die muntere Reise ihre ursprünglichen Ängste überwanden, begannen die beiden Mai sich nicht nur zu entspannen, sondern sogar Freude an der Reise zu haben, obwohl Homat von Zeit zu Zeit Zeichen machte, die sie davon abhalten sollten, gegen ein unter der Wasseroberfläche schwimmendes Stück Holz zu stoßen oder hilflos zu den Wolken zu entschweben.
Dörfer drängten sich um die Ufer winziger, mit Bäumen bestandener Inseln. Verblüffte Kinder hatten kaum Zeit zu schreien, ehe das Tragflächenboot an ihren ungläubigen Eltern vorbeigerast war. Der Scanner des Bootes machte Fischerfahrzeuge vor ihnen aus und erlaubte es Etienne, sicher um sie herumzufahren, lange ehe sie in Sicht kamen.
Weiter flußaufwärts tauchten dann größere Inseln auf. Dort hatten sich die Fluten so weit zurückgezogen, daß man Korn und Gemüse pflanzen konnte. Einige Dorfbewohner waren mit primitiver, aber durchaus wirksamer Aquakultur beschäftigt, angefangen mit der Zucht von Krustentieren bis zur Jagd auf Wasservögel. Und alle blickten sie erstaunt auf das Geisterboot, das an ihren Häusern vorbeibrauste und Vögel und Amphibien aufschreckte.
Die Dörfer schienen kein Ende zu nehmen. Nach den ursprünglichen Satellitenaufnahmen war das Skatandah-Delta der am dichtesten bevölkerte Landstrich von Tslamaina, weshalb man es auch für den ersten Vorposten des Commonwealth ausgewählt hatte.
Je näher sie dem Äquator kamen, desto höher stieg die Temperatur, falls das überhaupt noch möglich war, und keine Brise von der See vertrieb die Feuchtigkeit. Trotz der Monate der Akklimatisierung verbrachten die Redowls den größten Teil ihrer Zeit im gekühlten Innenraum des Fahrzeugs. Schon an Deck zu gehen, war ein Risiko für ihren Kreislauf. Homat und Irquit andererseits waren am Heck zu Hause und unterhielten sich oft über die Empfindlichkeit der Menschen.
Homat machte sich ein Spiel daraus, dem Scanner zuvorzukommen. Er saß dann am Bug und starrte ins Wasser, um verborgene Felsen oder andere Hindernisse auszumachen. Er verlor immer; aber sein scharfer Blick beeindruckte Etienne ebenso wie Lyra.
Durch Analyse der Strömung und des Treibguts im Wasser konnte der Computer ihres Schwebeboots entscheiden, welchen Nebenarm sie wählen sollten; aber es war dennoch schön, sich die Wahl von Irquit bestätigen zu lassen. Ohne den Computer oder ihre Führer hätten sie Jahre im Skatan-dah verbracht und vergeblich die Hauptrichtung des Skar gesucht.
Während die Tage verstrichen, mußten sich die Redowls immer häufiger gestehen, wie nützlich doch die Anwesenheit ihrer beiden Passagiere war. Die beiden Mai hatten inzwischen jegliche Angst vor dem Boot überwunden und erwiesen sich als tüchtige, gute und hilfreiche Gesellschaft. Lyra hatte den zusätzlichen
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