Die Rettung
den Dolchstoß ab und umkreiste seinen Gegner lauernd. In diesem Moment begriff Dylan, dass er diesen Kampf nicht gewinnen würde.
Heiße Wut schnürte ihm die Kehle zu, doch im hintersten Winkel seines Bewusstseins keimte dennoch der Gedanke auf, dass es ihm nicht nur unmöglich sein würde, MacGregor zu töten, sondern dass er dies eigentlich auch gar nicht wollte. Davon abgesehen verfügte der ältere Mann über großes Geschick darin, mit seinem Gegner zu spielen wie die Katze mit der Maus. Er würde ihm vermutlich so lange leichte Verletzungen zufügen, bis Dylan den Kampf aufgab. Dazu gesellte sich die Einsicht, wie töricht es von ihm gewesen war, MacGregor überhaupt dermaßen zu provozieren. Er benahm sich wie ein völliger Idiot.
»Gib endlich Ruhe, habe ich gesagt!« Robs Stimme klang angesichts von so viel Unvernunft ziemlich ungeduldig.
Das genügte, um Dylans Zorn von neuem anzufachen. Dennoch zwang er sich, einen Schritt zurückzutreten, beide Hände zu heben und mehrmals tief und konzentriert durchzuatmen. Endlich brachte er mühsam heraus: »Gut. Frieden.«
MacGregor nickte. »Wir sind hier, um gegen König George zu kämpfen, nicht gegeneinander.«
Dylan nickte gleichfalls. Allmählich wurde er ruhiger. Mit leicht zitternder Hand schob er Brigid in die Scheide zurück.
So konnte es nicht weitergehen. Er durfte sich nicht noch länger zum Sklaven seines Zorns machen lassen. Höchste Zeit, etwas dagegen zu unternehmen. Einen Moment lang beschwor er sein maucht und konzentrierte sich darauf, die Wut in seinem Inneren zu vertreiben, die Oberhand über ihn gewonnen hatte. Schon bald erfüllte ihn eine tiefe Ruhe; er spürte, wie die negativen Kräfte durch seinen Körper in seine Füße und von dort durch den Steinboden in die Erde strömten.
Die Atmosphäre in der Halle entspannte sich merklich, als sich Dylan und Rob Roy zu guter Letzt die Hände schüttelten.
Doch da kam ein Bote in die Halle gestürzt und rief laut nach dem Marquis of Tullibardine. Einer der perückenbewehrten Gentlemen, die am Kamin saßen, stand auf und nahm einen Brief entgegen. Alle Männer verstummten, während er das Schreiben las. Die Farbe wich aus seinem Gesicht. Endlich faltete er den Brief wieder zusammen, räusperte sich und sah sich in der Halle um. Er schien mit sich zu ringen, ob er den Inhalt der Botschaft bekannt geben sollte.
Schließlich verkündete er leise: »Gentlemen, ich fürchte, wir stecken in ernsten Schwierigkeiten. Die Invasion der Spanier ist fehlgeschlagen.«
Daraufhin erhob sich ein erregtes Gemurmel im Saal, und dann brach plötzlich die Hölle los. Die Clansführer drängten sich um Tullibardine, um weitere Einzelheiten zu erfahren und seine Befehle entgegenzunehmen. Artair trat zu Dylan. »Geh zu den Männern zurück und warte dort.«
»Aye.« Dylan und Robin gehorchten und kehrten zum Lager zurück, um dort auf Artair und neue Anweisungen zu warten.
19. Kapitel
Artair kam gegen Abend zu ihnen und teilte ihnen mit, dass sich die Jakobiten zu den Ländereien des Earl of Seaforth - eines MacKenzie - in Gairloch durchschlagen sollten, um dort den Oberbefehlshabern Seaforth, Tullibardine und Campbell of Glendarnel zur Flucht zu verhelfen. Diese waren 1716 verbannt worden; falls sie gefasst wurden, drohte ihnen die sofortige Hinrichtung. Berichten zufolge sollten sich die Truppen der Hannoveraner noch in Inverness befinden, der Weg war also frei, und der Rückzug konnte ruhig und geordnet erfolgen.
Nur Dylan wusste es besser. Er konnte sich zwar nicht daran erinnern, was schief laufen würde, aber er war sicher, dass die Jakobiten letztendlich bei Shiel Bridge in genau entgegengesetzter Richtung von Seaforth' Ländereien eingekesselt würden. Dort musste es dann zum entscheidenden Kampf und zu ihrer Niederlage kommen.
Die Clansmänner wickelten sich wieder in ihre Plaids, um noch etwas zu schlafen. Im Morgengrauen sollten sie losmarschieren.
Es dämmerte schon, als die erste Explosion am See die Highlander aus dem Schlaf riss. Dylan, der mit seinen Freunden neben dem Feuer lag, schrak hoch, sprang auf und hetzte den Hang hoch. Dabei warf er sich hastig sein Plaid über die Schulter und strich sich das Haar aus dem Gesicht. Als er einen Platz gefunden hatte, von dem aus er das Geschehen überblickten konnte, bot sich ihm ein Anblick, der ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Drei englische Kriegsschiffe lagen auf dem Loch Alsh, die Kanonen auf Eilean Donan gerichtet. Noch während
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